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Deutsche Wildtier Stiftung

Feuchtwarme Winter, trockene Sommer - was bedeutet der Klimawandel für Wildtiere?

Hamburg (ots)

Früher malte der Winter Eisblumen an die Fenster und überzog zumindest die Berge mit einer geschlossenen Schneedecke. Viele Wildtiere, etwa Igel und Haselmaus, fielen verlässlich in den Winterschlaf, andere, wie Singschwan oder Schneehuhn, ließen sich zum Schutz vor Eiseskälte einschneien. Aber während noch in der Wintersaison 2015/16 auf der Zugspitze insgesamt 1025 Zentimeter Schnee fielen, waren es im Jahr 2022 bis heute gerade einmal 87 Zentimeter. Und auch die Temperaturen änderten sich: Der Winter 2021/ 22 war zu mild und das bereits im elften Jahr in Folge. Die Durchschnittstemperatur lag um 3,1 Grad Celsius über dem Normalwert der Zeit 1961 bis 1990.

Das hat auch Auswirkungen auf die Tierwelt. Was machen die Wildtiere, die anderes Wetter gewohnt sind, in Zeiten eines sich wandelnden Klimas? "Es gibt zwei Möglichkeiten", sagt Professor Dr. Klaus Hackländer, Wildtierbiologe und Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. "Entweder erlernen Tiere aufgrund von Erfahrungen neues Verhalten - oder die genetischen Informationen ganzer Populationen werden verändert." Letzteres ist ein langsamer Prozess, bei dem sich Gene, die an die neuen Umweltbedingungen besser angepasst sind, von Generation zu Generation immer mehr durchsetzen. Wenn Populationen von Wildtieren allerdings sehr klein sind und es wenige Nachkommen gibt, ist diese Art der Anpassung eventuell nicht schnell genug möglich.

Von Alpenschneehase bis Wildschwein: Gewinner und Verlierer des Klimawandels.

Alpenschneehase: Als echtes Eiszeitrelikt ist er in Gefahr. Denn sein Fell wird im Winter weiß. Bleiben die Alpen aber im Winter braun, verliert der Schneehase seine Tarnung und wird leichte Beute für Fuchs, Habicht oder andere Beutegreifer. An die veränderten Bedingungen kann er sich nur mithilfe einer Genmutation anpassen, die eine Änderung der Fellfarbe von weiß auf etwa braun bewirkt. "Das braucht Zeit. Und ob es klappt, hängt auch von der Anzahl der Nachkommen ab, die eine solche Mutation weitergeben", sagt Professor Hackländer.

Schneehuhn: Kältespezialist seit Jahrhunderten. Das Schneehuhn ist ein typischer Vogel der Hochgebirgslagen. Bei ihm wird wie beim Alpenschneehase die Tarnung zum Problem: Im Sommer trägt es ein braunes Federkleid, im Winter ein schneeweißes. Füchse und andere Fressfeinde entdecken es so auf den braunen Offenflächen ohne Probleme. "Ob sich diese Hühnerart jemals an den Klimawandel anpassen kann, bleibt abzuwarten, denn die Populationsdichte und die Anzahl an Nachkommen sind gering", so Hackländer.

Gams: Früher schneeverliebt, heute Schattensucherin. Um dem Hitzestress im Frühjahr und Sommer zu entkommen, ziehen viele Tiere aus den Berghöhen in tiefere Lagen, wo ihnen Wälder Schatten bieten. Hier finden sie auch mehr Futter. Denn im Hochgebirge verlagert sich das Wachstum von Gräsern und Kräutern durch den Klimawandel immer weiter in die Frühjahrsmonate; werden dann im Juni die Kitze geboren, finden die Mütter statt energiereicher Nahrung oft nur noch Vertrocknetes.

Feldhase: Meister Lampe lebt ganzjährig oberirdisch und ist daher den Umweltbedingungen schonungslos ausgesetzt. Insbesondere nasskalte Frühjahrsmonate setzen den jungen Hasen zu. Ab Januar liegen die frisch geborenen Hasenjungen in ihren Erdmulden auf den Feldern. Regnet es nun ohne Unterlass oder bringen die Wolken zu nassen Schnee mit sich, der weder schützt noch isoliert, wird der Hasenbalg dauerhaft durchnässt und die kleinen Hasen unterkühlen. Die Sterblichkeit steigt. Auf der anderen Seite profitiert der Hase, der ursprünglich ein Steppentier ist, von den eher trockenen Sommern.

Kohlmeise: Ist bereits früh in Balzlaune. Die milden Temperaturen animieren sie zu einem verfrühten Brutgeschäft, so kann sie ihre Fortpflanzungschancen verbessern. "Das ist für Kohlmeisen ein Vorteil, aber für Zugvögel wie den Halsbandschnäpper ein Problem. Denn wenn er aus dem Winterquartier zurückkehrt, sind viele Nistplätze bereits besetzt", sagt Hackländer.

Wildschwein: Ein Meister aller Lebenslagen. Die ohnehin anpassungsfähigen Schweine finden in milden Wintern ausreichend Futter. Sogenannte Mastjahre liefern große Menge fett- und proteinreiche Samen, die in den Wäldern bis ins Frühjahr hinein genießbar sind. Ein solches gab es im vergangenen Jahr bei Eichen und Buchen. So konnten sich die Wildschweine im Herbst ordentlich satt futtern - was entscheidend für die Fortpflanzung ist. Denn der Eintritt der Geschlechtsreife der weiblichen Tiere ist eher abhängig vom Gewicht und weniger vom Alter. Wildschweine gehören also zu den Gewinnern des Klimawandels.

Waldrapp: Vom Aussterben bedroht. In einem groß angelegten internationalen Projekt versuchen Artenschützer, den Ibisvogel zu retten. So wurden mehrere Brutkolonien nördlich der Alpen angesiedelt. Die Jungtiere lernen die Route in ihr Winterquartier in der Toskana durch Nachahmung. Leichtflugzeuge wiesen den ersten Generationen den Weg, inzwischen machen die Kolonien sich selbstständig auf die Reise gen Süden. Aber der Beginn der Herbstmigration verschiebt sich aufgrund der warmen Temperaturen von Jahr zu Jahr weiter nach hinten. 2022 starteten die Waldrappe erst Ende Oktober. Ein plötzlicher Kälteeinbruch in den Alpen führte dazu, dass die Tiere die Berge nicht überfliegen konnten. Artenschützer mussten sie dieses Stück des Weges in Autos transportieren, damit sie ihr Winterquartier erreichten. Die jüngsten Waldrappe konnten diesen Teil der Route also nicht erlernen. Die steigenden Temperaturen sind eine große Herausforderung bei den Bemühungen, diese bedrohte Art dauerhaft zu schützen.

Pressekontakt:

Jenifer Calvi
Pressereferentin Deutsche Wildtier Stiftung
Telefon 040-970 78 69 - 14
J.Calvi@DeutscheWildtierStiftung.de
www.DeutscheWildtierStiftung.de

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