Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)
Hans Tietmeyer erteilt "kurzatmigen" Konjunkturprogrammen Absage: "Nur strukturelle Reformen machen uns wieder dauerhaft wettbewerbsfähig"
Köln (ots)
Sperrfrist: 29. Oktober 2001, 18.00 Uhr
Staatlichen Hilfen zur Ankurbelung der lahmenden Konjunktur hat der Kuratoriumsvorsitzende der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Prof. Dr. Hans Tietmeyer, am Montag in Frankfurt eine klare Absage erteilt. "Aus meiner Sicht helfen in dieser Lage kurzatmige Konjunkturprogramme nicht weiter", erklärte der frühere Bundesbankpräsident bei einer Veranstaltung der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft von 1947. Stattdessen forderte er strukturelle Reformen, "um unsere Volkswirtschaft wieder dauerhaft wettbewerbsfähig und hinreichend dynamisch zu machen".
Deutsche Defizite sieht Tietmeyer vor allem "auf dem Feld der Wachstums- und Beschäftigungspolitik: Dort liegen die tieferen Ursachen unserer Misere". Die aktuelle Konjunkturschwäche mache diese Probleme nur besonders deutlich.
Als erste offene Reformbaustelle nannte Tietmeyer den Arbeitsmarkt. "Unsere Gesetze und Tarifverträge sichern die Arbeitsplatzbesitzer bestens ab und benachteiligen die Arbeitslosen", kritisierte er. Deutschland habe ein typisches "Outsider/In-sider-Problem": "Den Arbeitslosen enthalten wir Beschäftigungschancen vor und alimentieren sie dafür relativ großzügig." Das Ergebnis sei "eine auch im internationalen Vergleich anhaltend hohe Arbeitslosigkeit". Und Besserung sei ohne einen Abbau bestehender Verkrustungen auch im Jahr 2002 nicht zu erwarten.
Tietmeyer schlug vor, die Menschen in einer Mischung aus Fördern und Fordern etwa nach dem Vorbild Dänemarks für den ersten Arbeitsmarkt zu aktivieren. Wer die Arbeitslosigkeit nachhaltig verringern wolle, komme an "unpopulären Maßnahmen" nicht vorbei, meinte der Kuratoriumsvorsitzende. Ihm sei bewusst, dass grundlegende Reformen nicht einfach umzusetzen seien - "auch weil sie schmerzen und sich ihre positiven Wirkungen erst nach dem nächsten Wahltermin entfalten".
"Wir brauchen ein Anreizsystem, das dazu motiviert," so Tietmeyer, "wieder ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen." Zumindest für eine Übergangszeit seien hier die schon lange vorgeschlagenen Kombilohn-Modelle oder die jüngst diskutierte Senkung der Sozialbeiträge in den unteren Lohngruppen richtige Instrumente, "ganz zu schweigen von einer restriktiveren Praxis bei der Gewährung von Sozialhilfe".
Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass "nicht nur die Unternehmen, sondern auch die wirtschaftlichen und sozialen Ordnungssysteme und damit die verantwortliche Politik" in den globalen Wettbewerb einbezogen seien.
Mehr Eigenverantwortung mahnte der frühere Bundesbankpräsident bei den Sozialsystemen an. "Besonders dramatisch" verlaufe die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Die Kostensteigerung habe sich hier in den letzten drei Jahrzehnten im Vergleich zum Wachstum des Bruttosozialprodukts verfünffacht. "Gewiss sind die Leistungen für die Gesundheit heute besser und vielfältiger, und der Anteil älterer Menschen hat zugenommen. Aber hinter dieser Kostenentwicklung steht häufig auch ein falsches Verständnis von sozialer Solidarität." Das Gesundheitswesen müsse "in wichtigen Bereichen auch auf Eigenverantwortung aufbauen: Eine Vollkasko-Menta-lität können wir uns nicht mehr leisten".
"Auf dem Feld der Sozialpolitik scheinen die Bürger in den letzten Jahren weiter gekommen zu sein wie die Politik", meinte Tietmeyer, "denn immer mehr Menschen sehen die Notwendigkeit einschneidender Reformen." Aktuellen Umfragen zufolge glaubten 52 Prozent, dass sich unser Sozialstaat nur dann dauerhaft erhalten lasse, wenn seine Leistungen deutlich gekürzt werden.
"Wir brauchen eine Neudefinition dessen, was wirklich sozial und gerecht ist", forderte der Kuratoriumsvorsitzende der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: "Trampolins sind notwenig, keine Hängematten. Dass die Soziale Marktwirtschaft solidarisch mit denen sein muss, die sich nicht selbst helfen können, steht außer Frage. Doch diese Solidarität basiert auf dem Einsatz und der Leistungsfähigkeit derer, die keiner Unterstützung durch die Solidargemeinschaft bedürfen."
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist eine überparteiliche Reformbewegung von Bürgern, Unternehmen und Verbänden für mehr Wettbewerb und Arbeitsplätze in Deutschland.
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