Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)
Lothar Späth fordert neue Prioritäten in Ostdeutschland: ABM runter fahren - Bildung fördern!
Köln (ots)
Sperrfrist: 15. November 2001, 13.00 Uhr
Lothar Späth verlangt eine mittelfristige Neuorientierung bei den Arbeits-beschaffungsmaßnahmen in Ostdeutschland. Am Donnerstag forderte der Jenoptik-Chef bei einem Diskussionsforum der parteiübergreifenden Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Leipzig, die zu erwartenden Einsparungen in Bildung zu investieren. Gute Politik zeichne sich durch richtige Prioritätensetzung aus. Späth schlug drei Bereiche vor, auf die man sich jetzt im Osten konzentrieren müsse. Wörtlich führte er aus:
"1. Mittel raus aus ABM und rein in die Bildung! Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen schönen die Statistik und helfen uns nicht weiter. Meist vermitteln ABM Qualifikationen, die kein Arbeitgeber nachfragt. Die Teilnehmer erhalten nicht die richtigen Anreize, sich selbst um einen Job zu bemühen. Der bewährte Ansatz, Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten, wird nicht ernst genommen. Die vielen Milliarden Mark, die in den zweiten Arbeitsmarkt fließen, wären besser angelegt, wenn man sie in die Fachkräfteausbildung und Bildungsinfrastruktur investieren würde. Das Motto sollte jetzt lauten: ABM runter fahren - Bildung fördern!
In massiven Investitionen für die Ausbildung ostdeutscher Nachwuchskräfte liegt der Schlüssel zum Aufbau einer zukunftsfähigen Industrie. Dass Ostdeutschland in dieser Hinsicht Potenzial hat, zeigen die Halbleiterwerke in Dresden oder die Pläne für den Bau einer hochmodernen Solarzellenfabrik im sächsischen Freiberg. Es gilt nun, mit einer konsequenten Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und die bestehenden Potenziale in die richtige Richtung zu entwickeln.
2. Erst die Kerne, dann die Fläche! Statt in der Wirtschaftsförderung eine Politik nach dem Gießkannenprinzip zu verfolgen, müssen wir uns auf wenige entwicklungsfähige Zentren konzentrieren, die dann positiv auf das Umland ausstrahlen. Mit anderen Worten: Die Starken müssen noch stärker werden!
Pauschaler Nachteilsausgleich ist falsch. Oft werden Investitionen ineffizient eingesetzt, beispielsweise weil jede Gemeinde ihren eigenen Gewerbepark haben will. Im Osten gibt es jedoch sehr erfolgreiche Wachstumsregionen, so genannte Cluster: Der Großraum Berlin/Potsdam, Dresden, Leipzig, Jena, Erfurt, Weimar und Schwerin haben eine gute Entwicklung genommen. Dort gibt es Betriebe, die produktiver arbeiten als im Westen. Wer die Kerne stärkt, wird mit zeitlicher Verzögerung auch das Umland stärken. Dies ist eine zunächst unpopuläre politische Botschaft. Aber ihre Umsetzung wird das Land innovativer machen und Arbeitsplätze schaffen.
3. Konzentration auf die bestehenden Standortvorteile! Im Osten läßt sich manches Vorbild für den Westen finden: schnelle Genehmigungsverfahren, wirtschaftsnahe Bildungseinrichtungen, kürzere Schul- und Studienzeiten, flexible Arbeitsformen und Bezahlung durch äußerst anpassungsfähige Tarifverträge sowie einige überdurchschnittlich erfolgreiche Wachstumsregionen. Diese Stärken müssen jetzt systematisch ausgebaut und genutzt werden."
Zusammenfassend betonte Späth: "Wir brauchen im Osten eine Bündelung der Kräfte. Wer Prioritäten setzen will, braucht auch den Mut zu sagen, was weniger wichtig ist. Die Orientierung an marktwirtschaftlichen Prinzipien wird uns dabei die notwendigen Entscheidungen erleichtern. Insbesondere brauchen wir mehr Wettbewerb. Wenn wir diese Leitidee stärker beherzigen, haben wir allen Grund zum Optimismus."
Professor Dr. Hans Tietmeyer, Vorsitzender des Kuratoriums der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, betonte in seiner Begrüßungsansprache, dass gerade in den neuen Ländern noch viel Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit nötig sei, um die Menschen für die Soziale Marktwirtschaft zu gewinnen. "Umfragen zeigen, dass nur ein Drittel der Menschen eine gute Meinung von der Marktwirtschaft hat", erklärte der frühere Bundesbankpräsident und erläuterte die Anliegen der Initiative: "Wir wollen gerade in den neuen Bundesländern verdeutlichen, dass nicht die Marktwirtschaft, sondern die Abkehr von den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verantwortlich ist für unsere wirtschaftlichen und sozialen Probleme." Nötig seien stärkere Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung. "Wer die Arbeitslosigkeit nachhaltig verringern will", so Tietmeyer, "kommt an unpopulären Maßnahmen nicht vorbei."
Wolfgang Heinze, Präsident des Arbeitgeberverbandes Sachsenmetall, mahnte ein besseres "Preis-/Leistungsverhältnis beim Aufbau Ost" an: "In der Vergangenheit wurde zuwenig in die Zukunft investiert - nämlich nur zehn Prozent der Transferleistungen. Und es wurde zuviel konsumiert - nämlich 90 Prozent der Transfers." Heinze fügte hinzu: "Den größten Beitrag zum Aufschwung Ost können wir durch eine konsequente Deregulierung und Entrümpelung des Sozialstaates leisten." Der Sachsenmetall-Präsident stellte sich hinter einen Vorschlag von Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Dieser hatte unlängst gefordert, dass Landesregierungen und -parlamente in den neuen Ländern das Recht erhalten sollten, hemmende Bundesgesetze und Verordnungen, die den Aufbau behindern, befristet außer Kraft zu setzen. Heinze forderte außerdem eine Konzentration der Unterstützung für die neuen Länder auf die ostdeutsche Industrie: "Nur an modernen, selbst tragenden industriellen Strukturen im Osten können sich auch weitere Wirtschaftsbereiche aufrichten."
Kontakt:
Dieter Rath, Tel. (0171) 5488666
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