FIZ Fisch-Informationszentrum e.V.
Mikroplastik im Fisch: Studie entwarnt - Risiko geringer als gedacht
Interview mit Ökotoxikologin Dr. Carolin Völker über neue Studienergebnisse
Hamburg (ots)
Mikroplastik ist überall: in der Luft, im Wasser, im Boden - und auch in Lebensmitteln. Fisch und Meeresfrüchte stehen allerdings besonders oft im Verdacht, stark belastet zu sein. Eine aktuelle internationale Studie, an der Dr. Carolin Völker vom ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung - mitgewirkt hat, zeigt nun: Die tatsächliche Belastung ist deutlich geringer, als viele denken. Julia Steinberg-Böthig vom Fisch-Informationszentrum e. V. (FIZ) hat mit der Wissenschaftlerin zu der Studie gesprochen.
FIZ: Frau Dr. Völker, Mikroplastik ist in den Medien ständig Thema. Was genau können wir uns darunter vorstellen?
Völker: Mikroplastik sind winzige Kunststoffpartikel, meist kleiner als fünf Millimeter, die durch den Zerfall größerer Kunststoffteile oder aus synthetischen Fasern entstehen. Diese Partikel sind weit verbreitet und gelangen im Alltag ständig in unseren Körper, zum Beispiel schon, wenn ich mir einen Pullover über den Kopf ziehe.
FIZ: Viele Menschen glauben, dass vor allem Fisch und Meeresfrüchte stark belastet sind. Stimmt das?
Völker: Nein, das stimmt so pauschal nicht. Studien zeigen, dass die Belastung von Meeresfrüchten mit Mikroplastik vergleichbar mit anderen Lebensmitteln ist - zum Beispiel mit Honig, Salz oder Huhn. Menschen nehmen darüber 1 bis 10 Partikel pro Tag auf. Über abgefülltes Wasser sind es 10 bis 100, und über Hausstaub und Raumluft sogar bis zu 1.000 Partikel täglich.
FIZ: Das heißt, die größte Aufnahme passiert gar nicht über das Essen?
Völker: Genau. Wir atmen oder schlucken im Alltag wesentlich mehr Mikroplastik aus Staub, Kleidung oder Kunststoffen in Innenräumen, als wir über die Nahrung aufnehmen. Trotzdem konzentriert sich die Debatte laut unserer Studie zu mehr als 70 Prozent auf Meeresfrüchte.
FIZ: Woran liegt das?
Völker: Weil die Forschung zu Mikroplastik im Meer begonnen hat. Fische und Schalentiere gehörten zu den ersten untersuchten Organismen - das hat den Eindruck verstärkt, sie seien besonders belastet. Diese frühe Fokussierung wirkt bis heute nach. Wir sprechen deshalb von einer unverhältnismäßigen Aufmerksamkeit für Meeresfrüchte.
FIZ: Heißt das, Mikroplastik ist ungefährlich?
Völker: Ganz so einfach ist es nicht. Wir sehen derzeit keine Hinweise auf ein akutes Gesundheitsrisiko durch den Verzehr von Fisch oder Meeresfrüchten. Die Partikel werden im Verdauungstrakt weitgehend wieder ausgeschieden. Aber es gibt Wissenslücken - vor allem bei sehr kleinen Nanoplastik-Partikeln, die eventuell Zellgrenzen überwinden könnten. Dazu brauchen wir dringend mehr Forschung.
FIZ: Wie sollten Medien und Verbraucher mit diesen Unsicherheiten umgehen?
Völker: Mit Sachlichkeit und Transparenz. Offene Fragen bedeuten nicht automatisch Gefahr. Wichtig ist, dass Forschung weitergeht, aber ohne Alarmismus. Wir sollten Risiken weder verharmlosen noch dramatisieren.
FIZ: Und was bedeutet das für den Verzehr von Fisch? Fisch und Meeresfrüchte liefern wertvolle Omega-3-Fettsäuren, Jod und Eiweiß - die DGE empfiehlt zwei Fischmahlzweiten pro Woche. Können wir Fisch und Meeresfrüchte bedenkenlos weiter essen?
Völker: Mikroplastik ist gemäß unserer Studie kein Grund, auf Fisch und Meeresfrüchte zu verzichten. Wie bei allen Lebensmitteln gilt: Entscheidend ist das Gesamtbild aus Nährstoffen, Herkunft, Nachhaltigkeit und möglichen Belastungen.Wenn der Fisch aus nachhaltiger Fischerei oder Aquakultur stammt, spricht gesundheitlich und ökologisch nichts dagegen.
Über die Studie
Die Studie "Examining Misconceptions about Plastic Particle Exposure from Ingestion of Seafood and Risk to Human Health" (Henry et al., 2025) wurde im Fachjournal Environmental Science & Technology Letters veröffentlicht.
Eine ergänzende Untersuchung zur Risikowahrnehmung (Kramm et al., 2022) erschien in Global Environmental Change.
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