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Für Berlin reicht's nicht/ Kommentar Giffey Rücktritt

Berlin (ots)

Franziska Giffey hat bei ihrer Doktorarbeit kein dreistes Plagiat abgeliefert wie Guttenberg. Aber ihr Text verletzt den wissenschaftlichen Kanon. Und Giffey hat getan, was PolitikerInnen in Krisen immer tun: Sie hat das Problem kleingeredet, taktiert - und dann scheinbar großherzig auf den Doktortitel verzichtet, wohl wissend, dass dies PR in eigener Sache war. Ihr Rücktritt als Ministerin soll nun konsequent wirken. Dabei sind die Kosten für sie gleich null. Giffeys Chance, nach der Wahl SPD-Ministerin zu bleiben, ist ja übersichtlich.

In ihrer Rücktrittserklärung behauptet Giffey steif und fest, ihre Doktorarbeit "nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben" zu haben und bekundet, die anstehende Aberkennung ihres Titels "zu akzeptieren". Wie generös. Keine Demut, keine Entschuldigung bei ihrer Partei, noch nicht mal etwas unverbindliche Zerknirschung. Wer so redet, glaubt, im Recht zu sein. Bei der Doktorarbeit zu schummeln, erscheint als lässliche Sünde, wie falsch parken. Kann doch jeder mal passieren.

Ausgerüstet mit diesem granitharten Unschuldsbewusstsein, will Giffey bald Berlin regieren. Die SPD hat eine Spitzenkandidatin, die nicht nur gegen den Mietendeckel und für eine Pro-Auto-Politik ist, sondern der auch der Doktortitel aberkannt wurde. Damit definiere Giffey, so die Berliner SPD, "höchste Ansprüche an politische Integrität". Ist das noch ver­zweifelt? Schon bemitleidenswert? Oder nur dreist?

Giffey ist eine sympathische, vitale Politikerin. Aber wenn sie mit dieser Tour durchkommt, ist das ein fatales Zeichen. Wer oben ist, bleibt oben. Egal, wie die Regeln lauten. Es stimmt: Politiker haben schon Schlimmeres angerichtet als eine regelwidrige Dissertation. CSU-Mann Scheuer hat in Sachen Maut nicht die Wahrheit gesagt. Aber wenn wir Scheuer zum Maßstab für politische Moral machen, sind wir sowieso auf dem Weg in die Hölle.

Jetzt also Berlin. Für die Ministerin reicht es nicht - aber für die Regierende Bürgermeisterin? Man kann nur hoffen, dass die BerlinerInnen verstehen, wie unverfroren dieses Manöver ist.

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Franziska Schindler
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