"Diese Geschichte hat Louis Malle ein Leben lang belastet" Schauspieler Peter Fitz im Exklusiv-Interview mit Tele 5 'Auf Wiedersehen, Kinder', am Sonntag, 02. März, um 10.15 Uhr
München (ots)
Tele 5 startet am 02. März seine "Meisterwerke Matinée", die jeden Sonntagvormittag mit Glanzlichtern des Kinos aufwartet. Zum Auftakt zeigt der Spielfilmsender Louis Malles preisgekröntes Drama 'Auf Wiedersehen, Kinder' und sprach mit Peter Fitz (76, "Schauspieler des Jahres" 1980 und 1983), der darin den Gestapo-Anführer Muller spielt, über den Dreh, seine schauspielernden Kinder sowie Gefühlsexplosionen vor der Kamera.
Tele 5: 'Auf Wiedersehen, Kinder' beruht auf Louis Malles persönlichen Erlebnissen während des Kriegs. Wie gelangten Sie an die Rolle des Gestapo-Führers?
Peter Fitz: Ganz am Anfang suchte man die deutschen Casting-Agenturen nach klischeehaften Nazi-Typen ab. Also bekam Louis Malle zig Fotos von großen blonden Männern, bis er sagte, dass der Darsteller, den er suchte, nichts mit dem gewöhnlichen Rollenbild eines Gestapo-Mannes zu tun hätte. Als ich gerade in Paris Theater spielte, schlug mich ein Bekannter für die Rolle vor. So kam schließlich der Kontakt mit Louis Malle zustande.
Tele 5: Wie war Ihr Verhältnis zu Louis Malle während der Dreharbeiten?
Peter Fitz: Wunderbar und sehr persönlich. Er hat mir auch sehr viel über den Menschen erzählt, den ich spielen sollte. Dieser Monsieur Muller ist ein Mann zwischen den Fronten gewesen. Genauso wie er Juden verraten hat, hat er auch Juden geholfen. Muller war zwar immer im Dienste der Nazis, hat aber diese Dienste sehr großzügig ausgelegt. Den Verrat hat er dann begangen, um sich selbst zu retten, denn er musste mal wieder zeigen, wofür er in der Gestapo eigentlich eingesetzt wurde.
Tele 5: Hatte Malle eine Erwartungshaltung, wie Sie den Charakter spielen müssen?
Peter Fitz: Nein, er hat mir da schon vertraut. Er ist auf meine Eigenheiten und meine Fantasie diese Rolle betreffend voll eingegangen. Er hat nicht gesagt, Muller hat sich so oder so bewegt.
Tele 5: Warum hat Louis Malle so lange mit der Verfilmung dieser Kindheitsgeschichte gewartet?
Peter Fitz: Als Muller durch die Sitzbänke im Klassenzimmer ging und die jüdischen Namen aufrief, verriet der vorne sitzende, junge Louis Malle seinen Freund ja versehentlich dadurch, dass er sich nach ihm umdrehte. So war klar, wer der Gesuchte ist. Dieses Problem, diese Bedrohung hat Louis Malle ein ganzes Leben lang nicht losgelassen. Deshalb war es ihm nach seinem 15-jährigen Amerika-Aufenthalt bei seiner Rückkehr nach Frankreich ein besonderes Anliegen, die Geschichte, die ihn belastet, zu verfilmen. Die Welturaufführung des Films fand dann in Frankfurt am Main statt. Das war eine Geste an die Eltern des im KZ umgekommenen Jungen, deutsche Juden aus Frankfurt, die dann nach Paris emigrierten.
Tele 5: Wie verlief die Arbeit mit den Kinderdarstellern?
Peter Fitz: Es war schon immer ein Vergnügen, mit den Kids zu drehen, jedenfalls bis zur Mittagspause, also die Zeit, die genau in ihren Plänen verhaftet war, die Schulzeit. Da waren sie aufmerksam, konzentriert, man konnte wunderbar mit ihnen arbeiten. Nach der Mittagspause wurde es schwierig. Nicht dramatisch, aber da ließ die Konzentration merklich nach. Deshalb hat Louis Malle auch versucht, das Hauptpensum der Drehs in die Schulzeit zu legen. Und wenn er eine Szene wiederholen ließ, hat er immer eine Kleinigkeit daran minimal verändert und so eine ganz neue Aufmerksamkeit bei allen Beteiligten geschaffen.
Tele 5: Ihre Kinder Florian und Hendrikje sind ebenfalls als Schauspieler erfolgreich. Wie reagierten Sie, als Ihre Kinder diesen Wunsch das erste Mal äußerten?
Peter Fitz: Ich habe versucht, sie auf die Gefahren hinzuweisen, dass das auch ein schrecklicher Beruf sein kann: Das, was nach außen hin scheint und glitzert, muss in Wirklichkeit hart erarbeitet werden. Letztendlich ist es kein glamouröser, sondern ein sehr arbeitsreicher und -intensiver Beruf. Aber sonst habe ich sie damit allein gelassen.
Tele 5: Haben Sie schon mal an ein Familienprojekt gedacht?
Peter Fitz: Ja, wir suchen einen Produzenten, der uns unterstützt. Es würde uns Freude machen!
Tele 5: Würden Sie sich selbst als Workaholic bezeichnen?
Peter Fitz: Wenn ich an einem Projekt dran bin, dann schon. Aber ich bin auch gerne faul.
Tele 5: Mit Klaus Maria Brandauer waren Sie letztes Jahr in einer zehnstündigen Marathon-Aufführung von 'Wallenstein' zu sehen. Wie hält man das durch?
Peter Fitz: In diesen zehn Stunden habe ich ja vielleicht gerade mal zwei Stunden gespielt, und das ist normal. Das Anstrengendste war das Warten in der Garderobe. Die härteste Wartezeit dauerte vier Stunden. Wenn ich 'Nathan, der Weise' spiele, ist das genauso lang. Nur stehe ich da die ganze Zeit auf der Bühne.
Tele 5: Und wie war die Arbeit mit Brandauer?
Peter Fitz: Hervorragend. Wir trafen uns privat, weil wir uns noch aus Wien kannten. Im Stück war ich zwar sein Gegenspieler, aber eine direkte Konfrontation zwischen seiner und meiner Figur gab es nicht. Insofern haben wir uns im Theater nur auf dem Gang und dem Garderobenflur getroffen und Hallo gesagt.
Tele 5: Sind Theater- und Filmarbeit für Sie gleichwertig?
Peter Fitz: Das sind zwei verschiedene Berufe. Die Voraussetzungen, im Film zu agieren und im Theater zu agieren, sind absolut gegenläufig. Der Monolog auf der Bühne ist eine weitausholende und raumgreifende Aktion eines Schauspielers. Vergleichbar ist der Monolog mit Großaufnahmen beim Film. Und bei einer Großaufnahme wirkt jedes Augenzucken und jede Bewegung mit der Augenbraue wie eine Explosion. Der einzige wirkliche Partner beim Film ist die Kamera. Wie man mit diesem Partner umgeht, bis man geschmeidig wird und sich nicht überproduziert, das kann dauern.
Tele 5: Wonach bewerten Sie Drehbücher - müssen die Sie persönlich ansprechen oder muss Ihnen die Rolle gefallen?
Peter Fitz: Es muss schon beides stimmen, obwohl man auch aus einem blöden Drehbuch einen guten Film machen kann. Es kommt immer drauf an, wer es umsetzt. Natürlich lese ich lieber gute als schlechte Dialoge. Aber eigentlich habe ich immer Glück gehabt und es gab noch nichts, was ich nicht vertreten könnte. Und so ganz platte Sachen kommen eh nicht an mich heran. Das verhindert meine Agentin seit fast zwanzig Jahren.
Interview: Steffen Wulf
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