"Ich bin Anarchist, ich will sie alle wegbomben." Claude-Oliver Rudolph im exklusiven Tele 5-Interview über Charles Bronson, echte Gangster, Jennifer Nitschs Dealer und das Verliebtsein
München (ots)
Tele 5 zeigt am kommenden Samstag, 16.8., um 00.10 Uhr 'Der Mann ohne Gnade'.
Weitere Tele 5-Filme mit Charles Bronson:
Samstag, 23.8., ab 20.15 Uhr - Double-Feature 'Chatos Land' und 'Kinjite - Tödliches Tabu'.
Samstag, 30.8., ab 20.15 Uhr - Double-Feature 'Der große Apache' und 'Wild Pferde'
Tele 5: Sie haben mal gesagt: "Belmondo hatte einen Schlaganfall, Bronson ist tot und jetzt fühle ich mich ziemlich allein."
Claude-Olivier Rudolph: Charles Bronsons Tod hat mir echt einen Schlag versetzt. Charles habe ich so gemocht. Ich wollte unbedingt einen Film mit ihm machen. Und Elke Sommer, mit der ich manchmal saufen gegangen bin, sagte: "Das trifft sich gut, mein Mann spielt mit ihm Golf." Sie hat Charles gefragt und er hat sich sehr gefreut, viele Grüße, er fand das toll, dass die jungen Leute ihn überhaupt noch kennen - er war bescheiden - aber tell Claude I am retired. Ich hab gesagt, bitte Elke, versuch's noch mal, weil ich hätte das so geliebt, mit ihm zu arbeiten.
Wann war das?
1996 - und dann ist er böse geworden. TELL HIM, ELKE: I AM REALLY RETIRED. Schade, dachte ich, na dann stimmt's. Ich hab oft so Pech. Auch mit Hildchen (Knef) war ich schon dran. Habe schon einen Brief von Hildchen gehabt, ein 'letter of intent', als sie starb. Ich mag diese alten Stars. Horst Frank rief an, wollte was mit mir machen Der große Horst Frank. Ich hätte es gerne gemacht, aber mein Produzent hat sich geweigert Und dann ist Horst auch gestorben. Und mein letzter, das ist Oliver Reed, den hab ich so verehrt.
Bronson war angeblich kein Fan von sich selbst.
Er war total uneitel. Ich sehe ja selber gut aus, aber Bronson war so ein attraktiver Mann, mein absolutes Vorbild. Die Härte, die der ausstrahlt und gleichzeitig diese Ruhe und Ritterlichkeit. Man fühlt sich so geborgen bei dem - du weißt, der richtet das schon. Wenn seine Familie umgebracht wird - er kriegt sie alle. Bronson hat nie einen Fehler gemacht im Leben. Hat nie ne Komödie gedreht, nie auf die Marken geguckt. Was ich auch schön fand: der hatte keine Frauengeschichten. Seine große Liebe Jill Ireland ist gestorben und auf der Beerdigung hat er geweint, ganz toll. Meine Vorbilder sind alles richtige Männer. Die haben alle auch eine weiche Seite.
So wie Sie?
Nein, da werden Sie nichts finden, ich bin wirklich hart, hart wie Granit.
Wie wurden Sie eigentlich der Bösewicht?
Das war Zadeks Idee, der sagte (näselnd): "Claude, du bist so' n tough guy, 'ne Art James Cagney, so ein heavy, dann mach das mal!" Hat funktioniert.
Wovor fürchten Sie sich?
Ich habe vor gar nichts Angst. Über das Thema habe ich übrigens ein Buch geschrieben, das kommt jetzt raus.
Auch nicht vor dem Tod?
Ne wieso, Tod, wer ist das? Kenn ich überhaupt nicht. Ich bin ja gut mit Gott befreundet, ich hab so viel Glück gehabt, das kann nur der liebe Gott sein. Ich bin der absolute Durchrutscher. Ich hab so viel Scheiße gebaut in meinem Leben. Neulich noch bin ich bei Glatteis geschleudert, da hab ich mich ungefähr 33mal gedreht auf der Autobahn und dachte okay, das war's, aber die Karre war nur ein bisschen verbeult. Für Lancia bin ich Rennen gefahren, in der letzten Runde fliege ich aus der Kurve, knapp an einem Baum vorbei, aiiiiih! Totalschaden, aber ich bin ausgestiegen und hatte nichts.
Finden Sie es richtig, Ihr Schicksal herauszufordern?
Ich fordere mein Schicksal nicht heraus. Aber ich muss doch auch leben und die Kinder müssen leben. Das ist wie ein Motor, du musst immer arbeiten. Dann kam Suzuki auf einmal mit Rennausbildung und Rallyeausbildung, ich hab die C-Lizenz, das ist die zweithöchste.
Wann war Ihre letzte Schlägerei?
Das muss gewesen sein in den 90ern mit Kalle Schwensen bei Ebby Thust in Frankfurt gegen rechtsradikale Arschlöcher von einer Skinheadfront aus Rostock. Kalle und ich gegen 17 Mann.
Erzählen Sie mal von der Unterwelt.
Ich sage immer die Schlauesten wirst du im Knast nicht finden, die Intelligentesten sind auch nicht tätowiert. Ein Gangster sieht nicht aus wie ein Gangster Das ist ein Klischee, das hab ich gemacht hier in Deutschland, ich war immer Kater Carlo, ich hab nie einen echten Gangster gespielt. Das ist meine Ehre, ich werde nie verraten, wie echte Gangster sind.
Aber Sie kennen echte Gangster
Logisch, ich bewege mich ja wie ein Fisch im Wasser bei den Leuten. Die haben mir viel geholfen und mit denen kannst du reden, die labern nicht lange drumrum.
Sehen Sie sich als moderner Robin Hood?
Ich bin Anarchist, ich will sie alle wegbomben. Ich habe immer meine Nase hingehalten und das tue ich heute noch. Mein Lehrer Fassbinder hat gesagt, als Schauspieler und Künstler darf man nie zynisch werden. Iggy Pop ist 61 und zeigt immer noch seinen Schwanz. Das ist Punk.
Welche Zeitungsmeldung hat Sie geärgert?
Von Fassbinder hab ich auch gelernt: du musst auf der Klaviatur des Journalismus mitspielen.
Kürzlich haben Sie eine Klatsch-Welle ausgelöst, als Sie mit Nicole Stifter gesehen wurden.
Eine sehr schöne Frau, aber ich wusste ich gar nicht, dass Nicole die Freundin ist von Michael Schanze. Das war die indirekte Rache dafür, dass er früher immer mit meiner Frau rumpoussiert hat; es gab ganz viele Titelbilder von den beiden zusammen. Alle wollten meine Frau. Klaus Lemke hat mir erst vor kurzem gesagt: "Die Sabine von Maydell, die tollste Frau, hast du ja aus dem Geschäft genommen."
Wie sind Sie eigentlich mit ihr zusammengekommen?
Irgendwann habe ich gesagt, ich will heiraten. Drei standen zur Auswahl, damals die drei berühmtesten Schauspielerinnen. Barbara Rudnik, Hanna Schygulla und Sabine von Maydell. Von meinen Freund Richy (Müller) erfuhr ich, dass Hanna Schygulla eine Hammerzehe hat. Damit war die schon mal draußen. Barbara fand ich etwas untalentiert. Und Sabine traf ich in Paris: da stand ich gerade rum, habe auf meinen Fahrer gewartet und sie kommt zufällig vorbei. Am Abend habe ich sie angerufen, seitdem sind wir zusammen. Das war im April 84, unsere Tochter Oona ist geboren am 13. Februar 85. Na, rechnen Sie mal!
Ihre Beziehung haben Sie als Sieg des Proletariats über die Aristokratie bezeichnet. Wie war die Trennung?
Ich hab mich verliebt. Beim "Cinema for Peace" saß ich neben Alice Brauner, wir haben uns super verstanden und beide gleich verliebt. Ihr Vater hatte allerdings drei Bedingungen an mich. Ich solle zum Judentum übertreten, kein Problem, ich bin ohnehin beschnitten. Zweitens, ich müsste mich scheiden lassen von Sabine und drittens jetzt kommt's: in die CDU eintreten.
Das ausgerechnet Ihnen!
Ja und ich war super-verliebt. Ich habe die Trennung von Sabine vollzogen und öffentlich gemacht. Dann kam ein Fax von ihrem Alten: wenn Alice sich nicht von mir trennt, würde er sie enterben. Da ist sie eingeknickt, 'eine promovierte Frau von 37 Jahren! Plötzlich brach alles zusammen, da stand ich völlig doof da, wie ein Trottel stand ich da.
Bis dahin gab es keine anderen Frauen?
Ich war unheimlich langweilig, ganz lange treu.
Und jetzt?
Im Oktober haben Sabine und ich goldene Hochzeit
Sind Sie wieder zusammen?
Nein, ich war gerne mit ihr zusammen aber es hat auch sehr genervt. Es ist schwierig, wenn du mit einem großen Star wie Sabine zusammen bist, der dann nicht mehr so viel Erfolg hat und du selber gehst aber ab. Wenn die Kurven antizyklisch verlaufen.
Gibt es wahrscheinlich öfter in Schauspieler-Ehen
Schauspieler sind ganz arm, ein mieser Job, ich wollte nie, dass meine Tochter das wird. Faye Dunaway, Jane Fonda, alle, die ich kenne, sagen, es ist einfach scheiße, wenn du übern Zenith bist. Was denken Sie, warum Meryl Streep 'Mamma Mia' spielt? Weil es ihr Traum war? Nein, weil die Kohle braucht.
Glaub ich nicht
Ich kenn sie aber besser, ich kenn sie alle besser. Faye Dunaway ist so am Rumschleimen bei jedem Pisser, der irgendwie nach Produzent aussieht. Und das war mein Vorbild, meine Faye Dunaway. Jennifer Nitsch ist ja auch nicht freiwillig aus dem Fenster gesprungen.
Jennifer Nitsch...
Sie konnte teilweise nicht mehr sprechen, weil sie soviel gekokst hatte. Dann bin ich noch hingefahren und hab den Dealern auf die Fresse gehauen und ihnen gesagt, sie sollen ihr nichts mehr besorgen. Armbänder und ganz tolle Sachen hat sie immer verpfändet, weil sie kein Geld mehr hatte. Habe ich alles zurückgeholt für sie, ich hab ne Prada-Jacke zurückgeholt, habe die Dealer bedroht "noch einmal die Jennifer, dann hau ich euch windelweich!"
Wie lieb von Ihnen
Es war ne Freundin von mir, fast zwanzig Jahre lang. Nachts hat sie mich oft angerufen, ob ich stolz wäre auf sie. Ich habe ihr gesagt, Schauspielerei ist nichts für dich, dein Rücken ist nicht breit genug.
Was braucht ein Claude-Oliver Rudolph zum Leben?
Liebe brauche ich und Frauen, weil ich Frauen liebe - dank meiner Großmutter. Ich bin frauenfixiert, bin in einem Frauenhaushalt groß geworden mit Köchin, Erzieherin Großmutter und meiner Mutter. Ich wusste für meinen Sohn erst gar keinen Namen, mir fielen nur Mädchennamen ein
Sind Sie zufrieden damit, wo Sie heute stehen?
Völlig unzufrieden, weil ich nicht der große Produzent bin, der ich gerne wäre. Weil ich immer noch Rechte abstottern muss. Ich hab sicher zehn Millionen in den Sand gesetzt mit meinen Filmen, obwohl alle was geworden sind. Meine Mutter sagt immer "Das versteh ich nicht, der Til ist in Los Angeles und bei uns kommt der Gerichtsvollzieher." Sag ich: "Mutti, einer musste den Til ja auch entdecken, sonst wäre er immer noch bei der Lindenstraße." Kommerziell bin ich super, sehr berühmt, aber künstlerisch völlig unzufrieden. Meinen Sie, ich mach gerne ne Kochshow oder den Jakobsweg - aber ich brauch das Geld, um meine Familie zu ernähren und um Punkfilme zu finanzieren. Aktuell bin ich in 'Chaostage' zu sehen.
Sie haben Til Schweiger entdeckt?
1993 habe ich den ersten deutschen Boxerfilm gemacht mit Til. Ich hab auch Jürgen Vogel entdeckt. Der hat seine erste wichtige Rolle bei mir gespielt in 'Wonderbeats'. Jennifer Nitsch habe ich entdeckt, 1990 war das. Meret Becker mit 15 entdeckt. Ich hab da ne Nase dafür, ich seh' das einfach. Es gibt noch ein paar.
Wer wäre besser nicht entdeckt worden?
Alain Delon. Weil er ein schlechter Schauspieler ist. Delon sitzt immer mit Klebebärten da, als Schauspieler müsste er eigentlich wissen, dass die hochgehen, wenn Schweiß kommt. Es gibt einen Film (mit Simone Signoret, übrigens meine Lieblingsschauspielerin, weil sie aussieht wie meine Großmutter) da fällt Delon auf eine Wiese, da kann dir eigentlich nichts passieren, weil die weich ist - aber er macht ne Judorolle, lächerlich! Außerdem ist Delon ein Rechtsradikaler.
Ja, furchtbar
Es gibt Klischees von schlechter Schauspielerei, ich nenn das immer Küchenrealismus. Der schlechte Schauspieler kommt in ein Haus rein und guckt nach oben. Ist da der Kronleuchter oder was? Alle gucken immer nach oben, wenn sie in ein Haus reinkommen. Muss ja einen Grund haben. Lino Ventura guckt nicht nach oben.
Ist das Talent oder kann man das lernen?
Das kann man nicht lernen. Lino war nie auf der Schule, Olli Reed nicht, Charles Bronson nicht, ich nicht.
Wie finden Sie eigentlich Leonardo DiCaprio? Der war auch nicht auf der Schule
Der ist nicht schlecht, der Bursche, hat seine Wurzeln im Ruhrgebiet, die Oma wohnte direkt neben uns, ist also einer von uns. Wobei, Ralf Möller kommt auch aus dem Ruhrgebiet und das ist ein grandios schlechter Schauspieler.
Haben sie noch Kontakt zu Heiner Lauterbach?
Mit Heiner waren wir 15 Jahre super befreundet, aber dann hat er einen Herzinfarkt gekriegt und wurde ganz komisch auf einmal, so mit Golfen, Starnberg und CDU. Aber für mich ist Heiner immer noch ein Anarchist, er weiß es nur nicht. Woran ich mich gern erinnere: Da pisst er mal völlig besoffen ins P1. Kommt so ein kleiner Wichser und sagt: "Ach nöö! Hausverbot auf Lebenszeit, aber ich habe noch eine Frage: warum pisst du in meinen Laden?" "Warum ich in deinen Laden pisse? Weil dein Laden so bepisst ist." Das ist Heiner at his best.
Sie sagen, Sie seien unzufrieden. Sie wirken aber eigentlich ganz glücklich.
Ich bin glücklich, weil ich heute mit meinem Sohn tauchen war.
Sind Sie stolz auf Ihre Kinder?
Leider ja. Meine Tochter Oona hat uns ja bedroht: sie will berühmter werden als Mama und Papa zusammen. Sie ist Schauspielerin und eine tolle Malerin. Ich hatte immer viel Stress mit meiner Tochter.
Wieso?
Na, weil die hart ist, die kommt nach mir.
Wie waren Sie als Kind?
Schwächlich und viel zu klein. Klein, dünn und krank.
Waren Sie auch sensibel und ängstlich?
Ich weiß nur noch, dass ich viele Krankheiten hatte, Diphterie, tödliche Sachen und ich wollte nicht essen. Dann kam ich ins Kinderheim nach Spiekeroog und Norderney. Ich kann ihnen Fotos zeigen, ganz unglücklich sehe ich da aus. Ich hatte dort einen Freund, der hatte Asthmaanfälle. Ich mit Ohrenschmerzen und Diphterie und er Asthma - wir waren ein Superpärchen. Bei der Aufführung des Weihnachtsmärchens musste ich Rotkäppchen spielen. Ich habe mich so geschämt. Zu gerne wäre ich der Wolf gewesen, aber ich war klein und hatte keine tiefe Stimme, warum ein Wolf?
Wann wurde der Wolf geboren?
Auf dem Spielplatz wurde ich mal wieder gequält von den großen Jungs, die haben mich nicht mehr vom Karussell runtergelassen. Ich kam nach Hause, mir war schwindelig und schlecht. Weil meine Hosen voller Sand waren, ließ meine Mutter mich draußen auf der Veranda stehen, bis mein Vater nach Hause kam. Und der sagte nur zu mir: "Wenn du noch einmal weinend nach Hause kommst, dann kommst du gar nicht mehr nach Hause." Von da an sind immer die anderen weinend nach Hause gekommen. Ich habe Judo gemacht und wurde unglaublich schnell unglaublich gut.
Dieser Satz Ihres Vaters hat alles verändert?
Nein, ich hatte einfach keine Lust mehr, mich von den anderen Jungs verdreschen zu lassen. Und vielleicht wollte ich auch die Liebe meiner Mutter nicht verlieren.
Interview: Michaela Simon
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Claude-Olivier Rudolphs jüngstes Projekt, der Kinofilm Chaostage, erlebte seine exklusive Uraufführung bei der diesjährigen Berlinale. Weitere Infos: www.chaostage-film.de www.lbfilms.de.
Wir lieben Kino. Tele 5. Der Spielfilmsender
Pressekontakt:
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