Gila von Weitershausen: "Mit 40 sind die guten Kinorollen vorbei"
München (ots)
Die Schauspielerin (65) im Exklusiv-Interview mit Tele 5 über ihren Ex-Lebensgefährten Louis Malle ('Atlantic City, USA', So., 17. Mai, 00.00 Uhr auf Tele 5), den gemeinsamen Sohn (Produzent u. a. von 'Das Parfum' und 'Der Baader-Meinhof-Komplex') und ihren Wandel von der Kino-Rebellin zur "Landarzt"-Gattin.
Tele 5: Frau von Weitershausen, wie haben Sie Louis Malle kennen gelernt?
Gila von Weitershausen: Volker Schlöndorff, der ehemalige Regieassistent von Louis Malle, hat mich bei 'Herzflimmern' für die Rolle der jungen Prostituierten vorgeschlagen, mit der der pubertierende Hauptdarsteller sein erstes sexuelles Abenteuer erlebt. Ich fuhr also nach Paris und war wahnsinnig aufgeregt, eines meiner Idole, Louis Malle, kennenzulernen. Als ich das Drehbuch aber gelesen habe, war ich von meiner Rolle fürchterlich enttäuscht.
Wieso das?
Ich hatte ja mit 'Engelchen oder die Jungfrau von Bamberg' Karriere gemacht und ging als frivoles Engelchen durch die Boulevardpresse, nur weil ich in einer Szene nackt aus der Badewanne gestiegen bin. Dieses Image hatte ich eigentlich satt, und weil ich in dem Louis-Malle-Film schon wieder hüllenlos zu sehen sein sollte, habe ich die Rolle abgelehnt. Aber Louis hat mich überreden können, denn er war ein guter Manipulator.
Wie haben Sie sich verliebt?
Wir haben uns während der Dreharbeiten richtig verliebt. Er war ein wunderbarer Mann und großartiger Künstler.
Louis Malle galt als Provokateur und auch Sie hatten eine rebellische Phase. Hat Sie das verbunden?
Uns hat die Zeit verbunden. Ich bin im Nachkriegsdeutschland aufgewachsen, wo über die NS-Zeit nie gesprochen wurde. Dabei waren die Nazis nicht alle weg, sondern noch in vielen wichtigen gesellschaftlichen Stellungen aktiv. Dagegen hegte ich einen großen Widerstand, ebenso gegen das Konservative und Spießig-Bürgerliche. Die ganzen Verbote, auch sexueller Natur, widerstrebten mir. Man darf nicht vergessen, dass ich zur ersten Generation zählte, die mit der Pille lebte, weshalb auch die Angst vor ungewollten Kindern nicht mehr so groß war. Ich bin dann früh von zuhause weg, auf die Schauspielschule, gegen den Willen meiner Mutter. Bei Louis, der auch aus dem großbürgerlichen Milieu kam, war es ähnlich: Ich weiß, dass seine Eltern nicht unbedingt wollten, dass er eine Filmkarriere anstrebte. Später waren sie dann aber glücklich über den Entschluss.
War Louis Malle auch ein Familienmensch?
Er war kurzfristig ein sehr intensiver Familienmensch, ein zauberhafter Vater, aber seine erste Leidenschaft galt dem Film. Er ist immer wieder weggegangen, um Filme zu machen, um Drehbücher zu schreiben, hat sich also mir und dem Alltag oft entzogen. Mein Eindruck war, dass er aufgrund seines Berufes nicht zu einer längerfristigen Beziehung fähig war.
Ihr 1971 geborener Sohn Manuel Cuotemoc kam in Mexiko zur Welt. Warum?
Louis hatte 'Viva Maria' in Mexiko gedreht und er mochte dieses Land so sehr, dass er den Vorschlag machte, dorthin zu gehen. Wir waren in Europa beide bekannt, stammten aus privaten Verhältnissen, die nicht so ganz einfach waren. Im siebten Monat meiner Schwangerschaft sind wir dann nach Mexiko geflogen und haben dort gelebt. Wir wollten sogar noch durch Südamerika reisen, aber das Baby hat uns ganz schnell beigebracht, dass man so was nicht machen kann. So sind wir dann zurück nach Paris.
Wie kam es zu der Trennung von Louis Malle zwei Jahre später?
Ich geriet da in eine ganz große Abhängigkeit, die uns beiden nicht bekommen ist. Ich wollte auch wieder arbeiten und merkte, dass ich damit in Frankreich große Probleme hatte, auch wegen meines deutschen Akzentes. Ich drehte danach zwar ein paar französische Filme, aber erst nachdem ich mich aus der Beziehung von Louis befreit hatte. Ich bin dann nach Deutschland zurück und habe wieder ganz klein angefangen.
War Ihnen denn klar, dass Ihre Beziehung mit Louis Malle auf Dauer wenig Bestand haben würde?
Überhaupt nicht. Ich war mit Mitte Zwanzig eigentlich noch ein kleines Mädchen und dachte, ich hätte meinen Prinzen gefunden, zudem noch in einem Regisseur, den ich bewunderte. Die Trennung von ihm war eine Entwicklung, die ich machen musste und die größtenteils sehr schmerzhaft war. Aber irgendwann konnte ich sie akzeptieren, auch weil ich feststellte, dass Film sein großes Bedürfnis war und er nicht anders leben konnte.
Wie verlief Ihre Rückkehr nach Deutschland?
Mein französischer Ausflug oder Höhenflug wurde mir in Deutschland schon ein wenig übel genommen. So ergeht es aber vielen Schauspielern, die ausbrechen oder einen anderen Weg einschlagen wollen.
Fast zwanzig Jahre nach dem Engelchen im Kino waren Sie die Frau vom Landarzt in der gleichnamigen TV-Serie. Hat Ihnen die neue heile Welt nicht widerstrebt?
Die gute Zeit für Schauspielerinnen im Kino ist zwischen 30 und 40. Nun war ich Mitte der Achtziger Jahre eben über 40, da kamen nicht mehr so viele aufregende Rollen. 'Die Schwarzwaldklinik' sagte ich noch ab. Beim 'Landarzt' habe ich dann auch wegen der tollen Besetzung mitgespielt. Zudem verdiente ich dabei das erste Mal im Leben gutes Geld. Bis dahin war das immer ein Problem. Aber ich stehe voll zu der Serie. Damit haben wir zwar eine kommerzielle, aber auch sehr saubere Heile-Welt-Arbeit abgeliefert.
Ist das Fernsehen inzwischen härter geworden?
Auf jeden Fall, es gab damals kein Privatfernsehen, keinen Quotendruck. Heute ist es großes Business. Serien wurden damals viel aufwändiger produziert und nicht so zeitkonzentriert wie heute. Auch Filme: Für einen 90-Minüter mit Peter Beauvais hatten wir 36 Drehtage, heutigen Produktionen stehen gerade mal 21 zur Verfügung. Da muss man sich nicht fragen, wo die Qualität bleibt.
Sie haben wahnsinnig viel gespielt, aber noch nie eine Kommissarin...
Das ist an mir vorbeigegangen. Ich habe die Chirurgin gespielt, die Mörderin, die Nutte, die Bankerin, die Staatsanwältin, also alle Rollen, die man sich vorstellen kann, aber die Kommissarin nie. Dabei hätte ich das sehr gerne gemacht, ich bin auch richtig beleidigt (lacht). Ich hätte sehr gerne mal unter meiner Jacke den Gurt mit der Waffe getragen, den haben sie mir aber nie gegeben. Jetzt geht es nicht mehr, denn als Kommissarin wäre ich ja schon pensioniert.
Sehen Sie sich Ihre Filme im Fernsehen oder Kino eigentlich an?
Direkt bei der Erstsendung oder Kinopremiere ungern. Ich möchte mich dann am liebsten verstecken, weil ich mich immer ganz schrecklich finde. Nach einer gewissen Zeit geht es besser, weil ich den Blick dann auf den ganzen Film lenken kann und nicht nur auf mich. Sonst denke ich nur, "Ich sehe da ganz furchtbar aus!", oder: "Warum habe ich das nicht besser gespielt?"
Ihr Sohn hat unter anderem 'Der Baader Meinhof Komplex' mitproduziert. Hat er Sie zu der Zeit befragt, die Sie ja direkt erlebt haben?
Nein, aber ich hatte ihm vor Jahren das Buch von Stefan Aust geschenkt. Insofern war er über die Zeit bestens informiert und konnte auch gleich mit dem Drehbuch was anfangen. Ich habe meinem Sohn immer Bücher über deutsche Literatur und Geschichte geschenkt, damit er den Bezug zu dem Land nicht ganz verliert, weil er mit 16 Jahren relativ früh nach Amerika gegangen ist. Zu Deutschland hatte er seitdem im Grunde nur noch dieses "Mutter"-Verhältnis. Deswegen finde ich es ganz amüsant, dass er mit der Constantin zwei Filme gemacht hat und offenbar doch noch einen anderen Bezug hat.
Führt er denn auch noch Regie?
Scheinbar fällt ihm das Produzieren leichter. Außerdem hat er mit der 'Nouvelles Éditions de Films' die Produktionsfirma von Louis übernommen und mit ihr das Werk seines Vaters wunderbar restauriert. Louis hat immer gedacht, dass er nichts für die Ewigkeit macht, weil das Filmmaterial irgendwann verfällt. Von daher bin ich sehr stolz, dass Manuel dieses Erbe bewahrt. Aber ich finde es auch schade, dass er keine Regie mehr macht.
Sie haben selbst mal bei ihm gespielt...
In seinem allerersten Kurzfilm an der Filmhochschule in New York. Da war ich unheimlich nervös, ich glaube, ich war selten so aufgeregt wie unter der Regie meines Sohnes.
Und wie hat er sie behandelt?
Er war ganz zauberhaft. Statt "Action!" sagte er zu mir immer nur: "Bitte, Mutter!"
Interview: Steffen Wulf
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