Claude Chabrol: "Ich wäre gern das Opfer meiner eigenen Schwächen" // 'Hühnchen in Essig' am 05. Juli, 09.25 Uhr
München (ots)
Zum Auftakt einer vierteiligen Claude-Chabrol-Filmreihe: Der französische Meisterregisseur (79 - kommt mit 'Kommissar Bellamy' ab 09. Juli ins Kino) im Tele 5-Interview über die Faszination des Bösen, seine drei Ehen und die beste Art zu sterben.
Tele 5: In Ihren Filmen beleuchten Sie gern das Böse in der Gesellschaft. Wie hat sich das Böse gewandelt?
Claude Chabrol: Das Interesse am Bösen ist seit Jahrhunderten so groß, weil dahinter eine Verführung steckt. Und in den letzten 50 Jahren ist das Böse noch verführerischer geworden. Einerseits haben sich Sitten und Gebräuche liberalisiert, andererseits ist der Wahn weiter gewachsen, dass Geld glücklich macht. Was wir gerade mit der Wirtschaftskrise erleben, finde ich total spannend, denn wir mussten einsehen, dass die Idee des Geldes ein Misserfolg ist. Manchmal habe ich den Eindruck, wir leben am Ende einer Zivilisation, die sich etwas Neues aufzubauen versucht, mehr ökologischer denkt und weniger an Profit. Dennoch wird es immer welche geben, die das nicht ernst nehmen und ihr eigenes Süppchen kochen.
Wenn nun Claude Chabrol einem Verbrechen zum Opfer fiele, wie würden Sie das inszenieren?
Ich würde gern das Opfer meiner eigenen Schwächen werden (lacht). Wein, Essen oder Rauchen! Warum nicht 24 Stunden Zigarren rauchen, dann wäre es nach spätestens 15 Tagen geschafft. Was ich vermeiden würde: In Stücke geschnitten zu werden, das ist unappetitlich! Aufgehängt werden soll weh tun, deshalb würde ich das ebenso vermeiden wie die Guillotine. Und Gift ist genauso unangenehm. Also bleibt es beim Essen. Und da bin ich sowieso etwas ungeschickt: Ich bekleckere mich regelmäßig, weshalb ich übrigens gern bunte Krawatten trage, auch wenn sie schon längst aus der Mode sind. Aber jeder Speisefleck bleibt darauf unsichtbar.
Braucht man eine dunkle Seite, um so viele Jahre im harten Filmbusiness überleben zu können?
Man muss nicht unbedingt kriminelle Energien haben, sollte aber schlau sein, um mit nur wenigen Misserfolgen auszukommen. Als ich anfing und etliche Erfolge hintereinander hatte, wurde ich über den grünen Klee gelobt, dann kam der erste Flop und es folgten drei weitere. Ich konnte mich nur retten, indem ich keine Angst mehr davor hatte und bereit war, schmutzige Dinge anzufassen.
Man hat bei Ihnen sowieso den Eindruck, dass Sie ein richtiger Workaholic sind...
Ich stelle mir jemanden vor, der nur alle fünf Jahre einen neuen Film liefert. Mein Gott, wenn der dann daneben liegt, und das vielleicht zweimal hintereinander, hat er schon sein halbes Leben verloren. Ich drehe lieber viel und gestatte mir es, dass manchmal auch schlechte Filme darunter sind.
Würden Sie Ihre Filme noch einmal drehen, wenn es möglich wäre?
Ich komme auf ungefähr 55 Filme, wovon ich zehn ganz gern nochmals drehen würde. Drei kämen überhaupt nicht mehr in Frage, aber fragen Sie jetzt bitte nicht, welche. Die würde ich noch nicht mal unter Folter gestehen.
Und bereuen Sie eine Ihrer Ehen?
Man muss eine Ehe wie einen Vertrag sehen: Wenn ihn einer auflösen möchte, ist die Sache damit zu Ende. Mit meinen Gattinnen hatte ich stets Glück: Die ersten beiden waren so froh, mich los zu sein, dass sie nicht mal Unterhaltszahlungen von mir gefordert haben. Insofern kenne ich keine schmerzhaften Trennungen. Selbst mit meinen Kindern ist es gut gelaufen. Sie stammen aus drei Ehen, fühlen sich untereinander aber wie richtige Geschwister. Mit jeder Ehe gab es auch eine Überraschung: Meine erste Frau hatte viel Geld, was ich vorher nicht wusste. Die zweite erwies sich plötzlich als begnadete Schauspielerin. Und die dritte hat sich als wunderbarste Gattin herausgestellt, die auch noch wunderbar kocht - und das ist das größte Glück meines Lebens.
Interview: Markus Tschiedert für Tele 5
Claude Chabrol jeweils sonntags in der Meisterwerke Matinée auf Tele 5:
'Hühnchen in Essig' am 05. Juli, 09.25 Uhr 'Masken' am 12. Juli, 09.35 Uhr 'Madame Bovary' am 19. Juli, 08.40 Uhr 'Chabrols süßes Gift' am 26. Juli, 09.30 Uhr
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