Lausitzer Rundschau: Die Unionsparteien und der Mindestlohn Vergifteter Erfolg
Cottbus (ots)
Die Chefetage der Union ist fieberhaft bemüht, den Konsens beim Post-Mindestlohn als eigenen Erfolg zu reklamieren. In Wahrheit hat sich die Union den Sozialdemokraten angepasst und nicht umgekehrt. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Die Argumente für einen Mindestlohn erscheinen den allermeisten Bürgern plausibler als sämtliche Bedenken dagegen, obwohl sie zum Teil durchaus berechtigt sind. Und weil Angela Merkel nicht Gefahr laufen will, bei den anstehenden Landtagswahlen empfindliche Niederlagen einzufahren, hat sie alle Bedenken beiseite gewischt. Der Preis dafür ist, dass die Diskussion um Mindestlöhne nun erst recht Fahrt aufnimmt und die Kanzlerin-Partei zu überrollen droht. Dank guter Konjunktur kommen viele Menschen wieder in Lohn und Brot. Auf der anderen Seite haben jedoch heute fast 500 000 Vollzeiterwerbstätige Anspruch auf zusätzliches Geld von der Sozialbehörde, weil ihr Verdienst lausig niedrig ist. Noch vor zwei Jahren waren es nur halb so viele. Insofern wirkt der alte Unions-Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft" fast schon zynisch. Die SPD hat diese Schwachstelle frühzeitig erkannt. Wer ordentlich schafft, muss auch davon leben können, lautet ihre Devise. Um die Sozialdemokraten ruhigzustellen, machte Angela Merkel bei der Sommerklausur in Meseberg Zugeständnisse. So wurde der Post-Mindestlohn auf die politische Bühne getragen. Dabei handelt es sich um das falsche Objekt. Denn die zum Gesetz werdende Lohnuntergrenze für Briefzusteller dient vorrangig dazu, das auslaufende Postmonopol zu zementieren. Dass der gelbe Riese seinen privaten Konkurrenten eine Lohnhöhe diktieren kann, die noch über der DGB-Forderung für einen flächendeckenden Mindestlohn liegt, hat mit Wettbewerb nichts zu tun. Allein, die SPD denkt längst weiter. Ihr früherer Vizekanzler Franz Müntefering hatte schon im Januar eine Liste mit insgesamt zehn Branchen von der Fleischverarbeitung bis zum Leiharbeitsgewerbe in Umlauf gebracht, die ebenfalls reif für allgemeinverbindliche Mindestlöhne sind. Ein genialer Plan. Denn mit jedem neuen Mindestlohnabschluss wächst auch die gesellschaftliche Akzeptanz für den alten SPD-Traum eines flächendeckenden Mindestlohns. Angela Merkel hat den taktischen Fehler gemacht, Münteferings Strategie nicht zu erkennen. Noch vor zwei Jahren hätte sie das sozialpolitisch brisante Thema mit dem Angebot eines relativ niedrigen allgemeinen Mindestlohns aus der Welt schaffen können. Es spricht Bände, dass der Verbandschef der Postkonkurrenz, Florian Gerster, daran gestern mit tiefem Bedauern erinnerte. Nun sind die Preise im wahrsten Sinne des Wortes gestiegen. Für die Briefzusteller erklärte sich die Union mit einem Mindestlohn von bis zu 9,80 Euro einverstanden. An dieser Latte wird das soziale Image der Merkel-Partei künftig gemessen werden.
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