Lausitzer Rundschau: Nach den Kindstötungen in Brandenburg Grenzen der Hilfe
Cottbus (ots)
Nach drei Fällen vermutlicher Kindstötung in Brandenburg innerhalb weniger Wochen mahnen und fordern die Politiker. Ministerpräsident Matthias Platzeck und Sozialministerin Dagmar Ziegler, beide SPD, wollen einen Ausbau des Netzwerks Gesunde Kinder. Die Linke-Landtagsabgeordnete Birgit Wöllert warnt vor Einschnitten bei der Schwangerenberatung. CDU-Landtagsabgeordnete Roswitha Schier macht sich für die anonyme Geburt stark. Und Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe setzte gestern noch einen drauf, als er vor einer sittlichen Verwahrlosung warnte und Vergleiche mit dem Rechtsextremismus anstellte. Die Verlautbarungen wirken gleichermaßen reflexhaft wie hilflos. Denn wie ein Blick in die Landkreise Oberspreewald-Lausitz (OSL) und Dahme-Spreewald (LDS) zeigt, bedarf es dort dieser Aufrufe und Aufforderungen eigentlich gar nicht mehr. In beiden Landkreisen haben viele Akteure - von der Hebamme über den Arzt bis zum Jugendamtsmitarbeiter - vor einem Dreivierteljahr ein Hilfsnetz aufgespannt. Die bittere Erkenntnis ist jedoch, dass in beiden Landkreisen schwangere Frauen von diesem Netz nicht aufgefangen werden konnten. In Schwarzheide (OSL) starb im Dezember ein Neugeborenes, in Lübben (LDS) in der vergangenen Woche. Vereine, Behörden und Verwaltungen stoßen an ihre Grenzen. Sie können noch so engagiert zusammenarbeiten, das Hilfsnetz immer noch enger knüpfen - sie werden dennoch nie jede hilfebedürftige junge Frau erreichen, die mit ihrer Schwangerschaft nicht fertig wird und sie für sich behalten will. Es ist und bleibt vor allem die Familie, in der die erste Hilfeleistung selbstverständlich sein sollte. Wenn aber dort die Gleichgültigkeit dermaßen groß ist, dass solche Tragödien nicht einmal bemerkt werden - dann hilft auch kein Netzwerk und keine Schwangerenberatung mehr. Was hilft dann? Vorher müsste wohl eine andere Frage beantwortet werden? Wie kam es zu dem von Manfred Stolpe zu Recht beklagten Verlust an zivilisiertem Sozialverhalten, der mittlerweile offenbar sogar den Zusammenhalt vieler Familien auflöst? Warum ist dieser Verlust im Osten noch größer? Die ratlos wirkenden Äußerungen der Politik nach den Kindstötungen in Brandenburg zeigen, dass es am Wissen fehlt, diese Fragen zu beantworten. Über die Ursachen, die sicher auch psychologischer Natur sind, wird nur vage gemutmaßt. Immerhin aber scheint jetzt eine Auseinandersetzung in Gang zu kommen, eine Ursachenforschung - die es hoffentlich nicht nötig hat mit neuen Schreckensnachrichten in Gang gehalten zu werden.
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