Lausitzer Rundschau: Serbien nach der Verhaftung Radovan Karadzics: Auf dem Weg nach Europa
Cottbus (ots)
Er ließ Sarajevo 1425 Tage lang bombardieren und UN-Soldaten als lebende Schutzschilde missbrauchen. Er steht für den Hass auf andere Völker und Religionen, die menschenverachtende Strategie der ethnischen Säuberung und den Völkermord von Srebrenica. Die Verhaftung des früheren Präsidenten der Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina, des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic, hat eine Bedeutung, die weit über den Tag hinausreicht. Zum einen reiht sie sich ein in die immer erfolgreicheren Versuche, den Opfern von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auf internationaler Ebene ihr Recht zu verschaffen - und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Dafür stehen die UN-Tribunale für Ex-Jugoslawien und für Ruanda ebenso wie das derzeit laufende erste Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga. Und nicht zuletzt die Tatsache, dass der Chefankläger des IStGH kürzlich erstmals Haftbefehl gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt - den sudanesischen Staatschef Omar al-Baschir - erlassen hat. Zum anderen macht Serbien mit der Verhaftung Karadzics und dem Versprechen, bald die Festnahme des ehemaligen Armeechefs der bosnischen Serben, Ratko Mladic, folgen zu lassen, einen historischen Schritt in Richtung Europäische Union - erfüllt es damit doch die Bedingung der Gemeinschaft für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Dabei steht die neue serbische Regierung allerdings erst am Anfang eines schwierigen, möglicherweise sogar gefährlichen Weges. Denn ungeachtet ihrer Verbrechen werden Mladic und Karadzic noch immer von Teilen der Bevölkerung Serbiens als Nationalhelden verehrt. In der Auseinandersetzung mit ihren Anhängern haben die europafreundlichen Kräfte allerdings gute Argumente: Schließlich waren es Karadzic, Mladic und der ehemalige serbische Präsident Slobodan Milosevic, die Serbien nicht zu einstiger Größe, sondern in die nationale Katastrophe führten, deren Symbol der Verlust des ehemaligen serbischen Kernlandes Kosovo ist. Das serbische Streben nach Dominanz innerhalb Jugoslawiens hat letztlich zum blutigen Zerfall des Vielvölkerstaates geführt. Es ist eine bittere Ironie, dass die Hoffnung auf Aussöhnung jetzt in einem derzeit 27 Staaten umfassenden Staatenverbund liegt. Wie seine Nachbarn Slowenien und Kroatien ist Serbien in Europa willkommen - ein Serbien, das nicht nach Vorherrschaft strebt, sondern als Gleicher unter Gleichen seine reiche Kultur und seine nationalen Besonderheiten einbringt. Ein Serbien, das mit dem pathologischen Größenwahn der Karadzics, Mladics und Milosevics endgültig gebrochen hat.
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