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Lausitzer Rundschau: 19 Jahre nach der Besetzung der Stasi-Zentrale in Berlin Ein Besuch mit Absicht

Cottbus (ots)

Es war ein symbolträchtiger Besuch an einem
Jahrestag des Geschehens von 1990, den Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 
gestern hinter sich brachte. Da schaute mit ihr zum ersten Mal jemand
als Regierungschef der Bundesrepublik auf die Aktenberge der 
Staatssicherheit, der eine ganz persönliche Beziehung zu dieser 
Ansammlung hat. Merkel weiß ganz genau, was da zusammengetragen 
wurde, weil sie kennt, was über sie berichtet wurde in jenen Jahren, 
in denen sie politisch unauffällig und damit wiederum für die 
SED-Herrschaft zu auffällig als Wissenschaftlerin in der DDR lebte. 
Dass sie sich einige Zeit ließ für den Besuch bei der Behörde, die 
jetzt auch ihre Geheimnisse zu hüten hat, ist durchaus nicht 
untypisch. Viele ihrer Alters- und Schicksalsgenossen machten sich 
erst in den vergangenen Jahren auf den Weg zum Einblick in ein längst
vergangenes, aber deswegen noch lange nicht unwichtiges Leben, und 
sie taten dies, wie Merkel ohne Zweifel auch, mit gemischten 
Gefühlen.
Dass Merkel an dem Tag vorbeischaute, an dem vor 19.Jahren ein wilder
Haufen aus unterschiedlichsten Motiven die Stasi-Zentrale in Berlin 
stürmte, war natürlich auch nicht Zufall. Es ist ein Signal der 
Kanzlerin, mit dem sie auch ihre Wertschätzung dafür bekundet, was 
von denen geleistet wurde, die der Firma Horch und Guck das 
Konkursverfahren eröffneten. Denn mit dem Teil der erlebten 
Geschichte kann sie sich sicher besser anfreunden als mit den 
Spitzelberichten zu ihrer Person.
Es ist auch nicht zufällig, dass sich an solch einem Tag wieder 
Zeitgenossen wie der letzte Innenminister der DDR, ein gewisser 
Peter-Michael Diestel, melden und dann die Parolen von der versäumten
Vernichtung der Stasi-Papiere loswerden. Vielleicht würde man damit 
auch Merkel einen persönlichen Gefallen tun. Denn der Gedanke, dass 
das Giftzeug doch besser verschwindet, kommt ja fast jedem, der es am
eigenen Leib spürt. Aber Merkel ist klug genug zu wissen, dass die 
eigene Akte auch Teil jener Zeugenschaft ist, zu der die verpflichtet
sind, die die Willkür der SED-Herrschaft zu ertragen hatte. Und es 
ist beruhigend, eine Regierungschefin zu haben, die sich auch ganz 
persönlich an die Abgründe eines Polizeistaates erinnert. Schon 
deswegen - des ganz eigenen Eindrucks einer Kanzlerin wegen - hat es 
sich gelohnt, die Akten zu sichern und zugänglich zu machen. Dass vor
19 Jahren an so eine Wende sicher keiner gedacht hat, kann auch 
optimistisch stimmen. Es kommt manchmal nicht nur überraschend, 
sondern auch besser als man denkt.

Pressekontakt:

Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de

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