Lausitzer Rundschau: Koalitionskrach wegen Umweltgesetzbuches
Merkels Selbsterfahrungsgruppe
Cottbus (ots)
Das Umweltgesetzbuch eignet sich nicht gerade als Aufreger für Otto-Normal-Bürger. Die Materie ist hoch kompliziert. Selbst Fachleute verlieren im ökologischen Paragrafen-Dickicht schon mal den Überblick. So werden viele vermutlich erst in den letzten Tagen davon gehört haben. Und dass es dabei heftigen politischen Krach gibt. Seine Inszenierung wirft allerdings ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der Großen Koalition. Nicht, dass die Regierungsehe von Union und SPD eine Liebesheirat gewesen wäre. Aber soviel Feindschaft und Missgunst war selten. Der SPD-Umweltumweltminister wirft den C-Parteien "Blockadepolitik" und "Verfassungsbruch" vor. Die Union ereifert sich über die "Sturheit" und "Volksverdummung" des Absenders. Und über allem schwebt eine Bundeskanzlerin, die das Scheitern eines der wichtigsten umweltpolitischen Projekte dieser Wahlperiode mal eben "zur Kenntnis" nimmt. Eine Regierung als zerstrittene Selbsterfahrungsgruppe. Wer es immer noch nicht begriffen hat, der muss es spätestens jetzt merken: Die Volksparteien stecken längst im Wahlkampf. Ihre Sacharbeit ist auf ein notwendiges Minimum beschränkt. Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn Angela Merkel (CDU) einen SPD-Minister nach München schickt, um ihre Schwesterpartei von einem gewichtigen Bestandteil der Koalitionsvereinbarung zu überzeugen, anstatt dies persönlich zu besorgen. Damit bestätigt die Kanzlerin einmal mehr ihren Ruf, nur zu moderieren und zu verwalten. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) hatte den Vorzug, bei wichtigen Entscheidungen seine Kanzlerschaft über die seiner Parteizugehörigkeit zu stellen. Bei Merkel läuft es umgekehrt. Auch am Kabinettstisch ist sie in erster Linie CDU-Vorsitzende, die einem Streit mit dem eigenen Lager tunlichst aus dem Wege geht. Das aktuelle Beispiel ist besonders ärgerlich, weil Merkel sich schon in ihrer Zeit als Bundesumweltministerin für ein Umweltgesetzbuch stark gemacht hatte. Im Jahr 1997 rief sie eigens dafür eine unabhängige Sachverständigenkommission ins Leben. Ihre eigenen Überzeugungen scheinen Merkel also nicht zu kümmern. Das politische Desaster beim Umweltgesetzbuch kostet nun die CSU als Triumph aus. Auch das ist seltsam, wenn man bedenkt, dass sämtliche CDU-geführten Provinzen für Gabriels Plan waren. An der bayerischen Kompromisslosigkeit zeigt sich freilich auch die ganze Absurdität der deutschen Kleinstaaterei beim Umweltschutz. Für die verbleibenden sieben Monate bis zur Bundestagswahl lässt das Gezänk nichts Gutes ahnen. Das Klima in der Koalition wird immer frostiger. Dabei erfordert gerade die Wirtschafts- und Finanzkrise ein beherztes Regierungshandeln. Die Bürger werden die Große Koalition daran messen.
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