Lausitzer Rundschau: Welzower wählen stasibelasteten Bürgermeister ab: Der Spuk ist vorbei
Cottbus (ots)
In Welzow (Spree-Neiße) hat es bisher kein Nachwende-Bürgermeister geschafft, seine volle Amtszeit durchzustehen. Das könnte ostdeutschlandweit trauriger Rekord sein. Die kleine Stadt mit Tagebaurandlage, das mag man zur Entschuldigung vorbringen, ist demografisch und wirtschaftlich arg gebeutelt, das Bürgermeisteramt insofern kein leichtes. Für den jetzt abgewählten Reiner Jestel gilt jedoch, dass er sein Scheitern ganz allein sich selbst zuzuschreiben hat. IM der Staatssicherheit wie ihn hat es viele gegeben, haben Jestels Verteidiger immer wieder vorgebracht. Aber warum muss ein Stasi-Spitzel, Schräubchen im Unterdrückungsapparat einer Diktatur, ausgerechnet Bürgermeister werden und in einer demokratischen Gesellschaft eine so exponierte Position einnehmen? Und das, ohne den Wählern seine Vergangenheit zu offenbaren? Das wird wohl immer Jestels Geheimnis bleiben. Eingehen in die Analen der Welzower Stadtgeschichte dürfte das Manöver, mit dem Herr Jestel und Abgeordnete der CDU versuchten, einen vermeintlichen politischen Gegner per Stasi-Überprüfung bloßzustellen - und dabei den Bürgermeister selbst auffliegen ließen. Ein perfides Vorgehen, das zeigt, dass Reiner Jestel seine IM-Mentalität auch in der Demokratie nicht abgelegt hat. Darüber hinaus erstaunt seine Dickfelligkeit. Da fordern ihn im Dezember mehrere Hundert Demonstranten auf, das Rathaus zu verlassen, eine große Mehrheit der Stadtverordneten wirft ihm Inkompetenz vor und beschließt seine Abwahl - und dennoch glaubte Reiner Jestel Bürgermeister bleiben zu können. Das Vertrauen der Bürger in ihn, der Wille der Stadtverordneten zur Zusammenarbeit war zu diesem Zeitpunkt auf dem Nullpunkt. Spätestens im Dezember hätte Jestel das Feld räumen müssen. Die Gelegenheit, dies halbwegs mit Anstand zu tun, ließ er leider verstreichen. Mit den Mitteln der Demokratie haben die Welzower nun selbst den Spuk beendet. Dabei wäre ein Scheitern der Abwahl am Sonntag für die Stadt eine Katastrophe gewesen. Die Stadtverordnetenversammlung hätte sich eigentlich nur noch auflösen können, die Entwicklung Welzows wäre völlig gehemmt gewesen. So aber ist der Weg geebnet für einen kommunikativen Bürgermeister mit Demokratie-Verständnis. Zwei vielversprechende Kandidaten sind bereits jetzt im Gespräch. Das ist gut, denn eine erneute Bürgermeister-Abwahl kann sich die Stadt nicht leisten.
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