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Lausitzer Rundschau: Geringe Beteiligung bei der Wahl zum Europaparlament
Über den Tag hinaus

Cottbus (ots)

Nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten hat
in Deutschland bei der Europawahl am Sonntag die Stimme abgegeben. 
Das ist enttäuschend, natürlich. Aber wer jetzt gleich eine 
Legitimationskrise der EU und ihrer Institutionen ausruft, übertreibt
maßlos. Denn für die niedrige Wahlbeteiligung gibt es Gründe fernab 
der üblichen Erklärungsmuster. Wenn Politik und Medien vorgeworfen 
wird, sie hätten die Bürger nur nicht ausreichend über Europa 
informiert, dann ist das hanebüchener Unsinn. Ein Blick in die 
regionalen und überregionalen Zeitungen der vergangenen Wochen - oder
ins Internet - belegt: Wer sich informieren wollte, der konnte das 
auf vielfältige Weise und umfassend tun.
Auch mit fehlendem Vertrauen, wie gerne angeführt wird, hat die 
niedrige Wahlbeteiligung nichts zu tun: Umfragen zufolge haben die 
Bundesbürger ins Europäische Parlament sogar größeres Vertrauen als 
in den Deutschen Bundestag. Und dennoch werden bei den nationalen 
Wahlen im September wieder 80 Prozent ihre Stimme abgeben. Diese 
Diskrepanz kann kaum verwundern: Anders als gestern geht es dann um 
die Wahl oder Abwahl einer Regierung - ein Recht, das dem 
Europaparlament eben fehlt. Und obwohl das Gremium in den vergangenen
Jahren mehr und mehr Zuständigkeiten errungen hat, vermutet der 
Bürger nicht ganz zu Unrecht: Die großen Entscheidungen werden dort 
getroffen, wo die Staats- und Regierungschefs zusammenkommen. Die 
Inszenierung der EU-Gipfel tut das Ihre, um diesen Eindruck noch zu 
bestärken.
Hinzu kommt ein emotionales Moment: Das sportive Element der Politik 
- das Duell Kandidat(in) gegen Kandidat(in) - kommt in Europa nicht 
vor. Weshalb die Wahlen vom Sonntag - damit mag sich die SPD trösten 
- kaum eine Ausagekraft über die Kräfteverhältnisse im September 
haben können. Bei Bundestagswahlen lassen sich Wähler ja auch durch 
die Botschaft mobilisieren, dass sich etwas zum Schlechteren wendet, 
wenn die "falsche" Partei, der "falsche" Kandidat an die Macht kommt.
Dieses Befürchtung gibt es in Europa nicht - auch, weil die 
organisierten Europagegner in Deutschland hoffnungslos in der 
Minderheit sind. Die meisten Bürger erkennen zweifellos an, dass der 
europäische Einigungsprozess ihnen in vielfältiger Weise nutzt - sie 
haben aber keinen Anlass zu glauben, dass sich daran etwas ändert, 
wenn sie nicht zur Wahl gehen.
Die Stimmabagabe bei der Europawahl ist so vor allem ein Bekenntnis 
zur europäischen Idee. Schon deshalb wäre es wünschenswert gewesen, 
hätten sich am Sonntag mehr Menschen auf den Weg in die Wahlkabine 
gemacht. Für bewusste Europäer mag das eine Selbstverständlichkeit 
gewesen sein, für andere nicht Motivation genug. Es wäre ein Fehler 
zu glauben, dass die Daheimgebliebenen mit Europa grundsätzlich 
nichts anfangen können - von einer generellen Skepsis gegenüber der 
EU kann in Deutschland keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Zustimmung 
zu Europa ist heute größer als noch vor einigen Jahren. Zwei Drittel 
der Deutschen halten die Mitgliedschaft in der Union für eine gute 
Sache - und nur elf Prozent für eine schlechte. Das ist die gute 
Nachricht, die über den Wahltag hinaus bleibt.

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