Lausitzer Rundschau: Bundestagsdebatte zu Afghanistan Nicht kriegsbereit
Cottbus (ots)
Der Theaterdonner in Berlin, der jetzt mit einiger Verzögerung doch noch den tödlichen Explosionen in der Nähe des deutschen Feldlagers in Kundus folgt, droht vom Wesentlichen abzulenken. Denn das politische Überleben des gewesenen Verteidigungsministers Franz Josef Jung, der sich jetzt um den Straßenbau kümmern soll, ist vergleichsweise bedeutungslos angesichts der Gefahren, denen sich Tausende junger deutscher Männer und Frauen, aber auch viele Afghanen in dem von der Bundeswehr verantworteten Sektor des Landes gegenübersehen. Es geht im Kern nicht um den Abgang von hochrangigen Militärs oder Ministern. Zu klären ist vielmehr, ob die Armee, die sie befehligen, so geführt wird, dass sie bei einem Einsatz wie dem in Afghanistan nicht sofort an ihre Grenzen stößt. Die auf deutschen Befehl abgeworfenen Bomben, auch vorher schon die tragischen Todesfälle an von der Bundeswehr besetzten Kontrollpunkten, haben offensichtlich nicht dazu geführt, dass eine Wiederholung unter allen Umständen vermieden wird. Denn dazu hätte eine schonungslose Aufklärung über das Geschehen gehört. Stattdessen wurden nicht nur der Presse, wurden selbst den strafrechtlichen Ermittlern wesentliche Informationen vorenthalten. Damit aber stellt die Bundeswehrführung selbst die Ziele des Einsatzes infrage. Wenn deutsche Soldaten dort vor allem agieren sollen, um die Bevölkerung zu schützen und damit auch zu befähigen, sich selbst gegen Terrorgruppen zu schützen, dann ist die Transparenz des Einsatzgeschehens zwingend erforderlich. Dies gilt insbesondere für Aktionen, bei denen der Verdacht besteht, dass Unbeteiligte zu Opfern wurden. Wer da Details des Geschehens ohne Not unter Verschluss hält, wird in Konsequenz selbst zur Gefahrenquelle für die Soldaten wie für die afghanische Zivilbevölkerung gleichermaßen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihren Anmerkungen zu den Vorgängen klar zu erkennen gegeben, dass sie diesen Zusammenhang kennt. Die Bundeswehr hat sich aber zu dieser geforderten Offenheit genauso wenig in der Lage gesehen wie der frühere Verteidigungsminister. Die Generäle wie Jung waren unter diesem Aspekt nicht in der Lage, den Krieg in Afghanistan zielgerichtet zu führen. Mit dem einfachen Ausscheiden aus dem Amt von zwei Spitzenmännern aber ist das Problem genauso wenig gelöst wie mit der Neubesetzung des Postens des Verteidigungsministers. Das, was geschehen ist, offenbart viel weitergehende Verunsicherung in der gesamten Kommandostruktur wie auch der politischen Kontrolle. Was offenbar ebenfalls nicht verstanden wurde, ist die besondere Bedeutung, die dem Bundestag bei solchen Auslandseinsätzen zukommt und die zwingend eine korrekte Unterrichtung des Parlaments erfordert. Deswegen auch ist es gut, wenn jetzt ein Untersuchungsausschuss vorgeschlagen wird. Und der Auftrag für dieses Gremium sollte nicht zu eng gefasst sein. Es geht im Kern darum, ob die Bundeswehr in ihrem gegenwärtigen Zustand überhaupt in der Lage ist, den Krieg zu führen, der ihr in Afghanistan abverlangt wird.
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