Lausitzer Rundschau: Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und der Bundesrat
Kieler Flunder
Cottbus (ots)
Es wurde schon Dümmeres beschlossen. Die Entfernungspauschale ab Kilometer20 etwa oder einst ein 630-Mark-Gesetz für Minijobs. Insofern steht die schwarz-gelbe Koalition mit ihrem Steuersenkungspaket nicht in einer ungewöhnlichen Reihe. Die Unvernunft ist das Privileg jeder neuen Regierung. Um die sachliche Güte des Gesetzes ging es in der Länderkammer ohnehin nicht mehr, sondern nur noch darum, ob Union und FDP gleich mit ihrem ersten Vorhaben Schiffbruch erleiden oder nicht. Da stellten die Unions-Ministerpräsidenten ihre Bedenken doch lieber zurück. Schlecht sahen dabei vor allem jene aus, die sich vorher enorm aufgeplustert hatten, wie der Schleswig-Holsteiner Peter Harry Carstensen. Als Seelöwe gestartet, als Kieler Flunder gelandet. Das 8,5Milliarden Euro teure Vorhaben besteht aus vier Elementen. Das wertmäßig größte ist die Erhöhung des Kindergeldes und der Kinderfreibeträge. Niemand hat danach verlangt, aber mehr Netto fürs Volk schadet auch nicht. Allerdings sollte sich eine Regierung solche populistischen Einstandsgeschenke leisten können. Da sie das nicht kann, sondern neue Schulden macht und spätestens ab 2011 nun noch stärker sparen muss als zuvor, ahnen die Leute, dass sich der Staat das Geld dann wieder hereinholen wird. Insofern bleibt der Begeisterungstaumel begrenzt, was zentral den Sinn der Operation infrage stellt. Denn was nützt der schönste Populismus, wenn sich die Leute nicht freuen? Teil zwei, die Korrekturen an Erbschaft- und Unternehmensteuerreform sind gesellschaftspolitische Akzente zugunsten des Mittelstandes, die Schwarz-Gelb setzen will und darf. Teil drei ist hingegen echt problematisch, die Entlastung für die Hoteliers. Dass hier so erkennbar Lobbyisten gleich zu Beginn in die Kassen greifen dürfen, lässt tief blicken. Wird derlei Klientelpolitik zum Kennzeichen der Koalition werden? Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Bauern, Steuerberater, Banker und andere warten schon freudig auf die nächsten Reformen. Teil vier ist der Name des Gesetzes: Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Das ist purer Etikettenschwindel. Mit einem Halfter am Kopf wird die Kuh nicht zum Rennpferd. Auch nach dieser ersten Arbeitsprobe ist es nur ein frommer Wunsch, dass Schwarz-Gelb Deutschland seriös und nachhaltig reformieren möge, sozial gerecht dabei und politisch weise. Außer Hoffnung liefert die neue Regierung bisher wenig Grund zu der Annahme, dass er sich erfüllen wird. Am Horizont winkt stattdessen das noch sinnlosere Betreuungsgeld. Das läuft dann aber nicht mehr unter Anfangsdummheit.
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