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Lausitzer Rundschau: Zur Karlsruher Entscheidung zu den Hartz-IV-Regelungen

Cottbus (ots)

Hartz IV ist Armut per Gesetz. Mit diesem Slogan
ziehen bis heute viele Betroffene über Straßen und Plätze, um sich 
gegen die größte Sozialreform der jüngeren deutschen Geschichte zu 
wehren. Ebenso die Linkspartei, die politisch damit groß geworden 
ist. Aber der Staat nahm die Mischung aus populistischer Empörung und
tatsächlicher Existenznot bisher kaum zur Kenntnis. Jetzt muss er es 
tun. Denn Hartz IV ist Unrecht per Gesetz. Das haben nun fast schon 
erwartungsgemäß die Karlsruher Verfassungsrichter verkündet - und der
Politik ein Armutszeugnis ausgestellt.
Was braucht der Mensch zum Leben, um auch als Bedürftiger seine 
Menschenwürde wahren zu können? Dafür gibt es keinen objektiven 
Bewertungsmaßstab. So lässt sich zum Beispiel trefflich darüber 
streiten, ob ein Hartz-IV-Empfänger auch ein Handy benötigt oder 
nicht. Wenn sich der Maßstab jedoch in purer Willkür erschöpft, dann 
ist etwas faul im Sozialstaat Deutschland. Und genau diese traurige 
Tatsache hat Karlsruhe in beispielloser Schärfe gebrandmarkt. Dabei 
stören sich die Richter wohlgemerkt nicht in erster Linie an der Höhe
der staatlichen Zuwendungen, sondern an der Absurdität ihres 
Zustandekommens. Wie erbost sie darüber gewesen sein mögen, lässt 
sich an ihrer Vorgabe erahnen, die Missstände schon bis zum 
Jahresende gesetzlich zu beseitigen. Das ist ein dramatisch kurzer 
Zeitraum für einen derart tief greifenden Einschnitt ins Sozialrecht.
Die ersten Reaktionen der Bundesregierung legen leider den Schluss 
nah, dass sie sich der Dimension dieser Aufgabe  nicht bewusst ist. 
Insbesondere die FDP tut so, als ließe sich das  Urteil aus der 
Portokasse bezahlen, nur um ihre Steuersenkungspläne nicht zu 
gefährden. Was für ein Trugschluss! Nicht nur fiskalische 
Entlastungen sind einmal mehr in weite Ferne gerückt. Auch auf das 
Betreuungsgeld, welches die CSU ab 2013 allen daheim bleibenden 
Müttern zukommen lassen will, sollte sich die Regierung nicht 
versteifen. Denn im Kern bedeutet der Richterspruch, dass Kinder in 
Hartz-IV-Familien ein Mindestmaß an soziokultureller Teilhabe 
benötigen. Gradmesser dafür ist ein Bildungssystem, das auch dem 
Nachwuchs in weniger begüterten Verhältnissen einen beruflichen 
Aufstieg ermöglicht. Chancengerechtigkeit heißt 
Bildungsgerechtigkeit. Das fängt mit der selbstverständlichen 
Teilnahme an Klassenfahrten an und hört beim kostenlosen 
Nachhilfeunterricht und der Notwendigkeit eines eigenen Computers für
die Hausaufgaben noch lange nicht auf.
 Um diesem Anspruch nachzukommen, braucht es deutlich größere 
Investitionen als die Aufstockung der Regelsätze um ein paar wenige 
Euro. Und es braucht ein neues politisches Denken.

Pressekontakt:

Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de

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