Lausitzer Rundschau: Wer ist Kirche? Zum Hirtenbrief des Papstes zu Missbrauchsfällen in Irland
Cottbus (ots)
Katholiken sind hierzulande eine leicht zu übersehende Minderheit. Umso mehr trifft es sie, was jetzt mit der Berichterstattung zu den schlimmen Verfehlungen im Rahmen der Kirche hochkommt. Mehr als in den katholischen Hochburgen wie Bayern oder Irland wären sie angewiesen darauf, dass der Papst Klarheit schafft und verdeutlicht, dass die Kirche kein Zufluchtsort für Verbrecher sein kann und wird. Umso enttäuschter dürften viele jetzt nach der Stellungnahme aus dem Vatikan sein. Denn es war nur das unabdingbar Notwendige, was Papst Benedikt zu den Missbrauchsfällen gesagt hat. Beschränkt auf die schaurigen Nachrichten aus Irland war dieser Hirtenbrief wieder ein eingegrenzter Versuch der Schadensbegrenzung und ruft damit ganz zwangsläufig Kritik hervor. Er reiht sich ein in die immer gleiche Geschichte der verpassten Gelegenheiten, die diese Kirche schon vielfach erlebt hat. Einer scheinbar zeitlosen Institution gelingt es nicht, Schritt zu halten mit der gesellschaftlichen Entwicklung und den damit neu formulierten Fragen. Darin steckt einer der tieferen Gründe für die unzähligen Meldungen vom sexuellen Missbrauch in Heimen und Klöstern, in Pfarrhäusern und Kirchen. Wer das Innenleben dieser Kirche kennt, kann davon nicht wirklich überrascht sein. Ihre Sexualmoral, ihre Distanz zur Emanzipation der Frau, ihr Festhalten an hierarchischen Strukturen haben es den Tätern leichtgemacht und die Aufklärung erschwert. Die Kirche hat zu lange nicht erkennen wollen, dass mit der fragwürdigen Auswahl ihres Personals ihre gesamte Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht. Viele, die den katholischen Glauben in der modernen Welt leben, kämpfen deswegen derzeit mit der Verzweiflung, die sie bei der Nachrichtenflut ergreift. Für sie ist der Widerspruch zwischen der Botschaft des Jesus von Nazareth und dem Handeln von Amtsträgern der Kirche fast schon unerträglich. Aber sie sollten sich nicht mürbe machen lassen. Dieser Skandal wird die Stellung der einfachen, rechtschaffenen Katholiken, die ihre Kinder in der ihnen auferlegten Güte zur bedingungslosen Achtung der Mitmenschen erziehen, nachhaltig stärken. Sie sind, mehr als die Bischöfe und der Papst, die Kirche. Sie leben das Christentum mitten in einer modernen Welt, die den Würdenträgern des Katholizismus immer noch fremd zu sein scheint. Ihr Glauben, der Anmaßung und Eitelkeit infrage stellt und dem die Verpflichtung zur selbstlosen Nächstenliebe und zur Demut im Umgang mit der Schöpfung entgegensetzt, bleibt ein bedeutender Beitrag für die Gesellschaft.
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