Lausitzer Rundschau: Innere Logik Zur Nominierung Christian Wulffs als Bundespräsident
Cottbus (ots)
So schnell kann's gehen. Christian Wulff wird - daran dürfte die Gegenkandidatur des früheren DDR-Bürgerrechtlers Joachim Gauck nichts ändern - am 1. Juli ins Schloss Bellevue einziehen. Wer noch in der vergangenen Woche darauf gewettet hätte, wäre jetzt ein gemachter Mann. Nicht einmal nach dem überraschenden Rücktritt Horst Köhlers war der Niedersachse sofort einer, den man auf der Rechnung haben musste. Und doch folgt seine Nominierung durch Union und FDP, die in der Bundesversammlung über eine bequeme Mehrheit verfügen, einer inneren Logik, die sich aus den diversen Interessenlagen der Koalitionäre ergibt. Da ist die CDU, die nun wieder einen der Ihren ins höchste deutsche Staatsamt schickt. Die FDP, die mit Wulff eine gedeihliche Zusammenarbeit in Niedersachsen verbindet. Die CSU, die keinen eigenen Kandidaten anzubieten hatte, aber die von Kanzlerin Angela Merkel ursprünglich favorisierte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wegen ihrer liberalen Ansichten verhindern wollte. Da ist Wulff selbst, der entschlossen die Chance ergriffen hat, als jüngstes Staatsoberhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik den Gipfel seiner politischen Karriere zu erklimmen. Und da ist, nicht zuletzt, Angela Merkel: Die angeschlagene Kanzlerin entledigt sich - in einer für sie politisch gefährlichen Situation - ihres letzten ernst zu nehmenden innerparteilichen Kontrahenten. Für die schwarz-gelben Koalitionäre also ist Wulff eine erstklassige Wahl. Ob er ein erstklassiger Präsident wird, muss sich noch zeigen. Sicher ist: Der verbindliche Wulff wird gut ankommen. Aber beliebt war Horst Köhler auch. Eines jedoch ist ihm nie gelungen: Eine wahrnehmbare innere Unabhängigkeit von jenen zu entwickeln, die ihn ins Amt gebracht hatten. Eines solchen Aktes der Emanzipation aber bedarf es, um das Kunststück zu vollbringen, das jedem Bundespräsidenten abverlangt wird: Sich trotz geringer politischer Macht Gehör und Respekt in allen Teilen der Gesellschaft zu verschaffen.
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