Lausitzer Rundschau: Merkels Ausweichmanöver Kanzlerin verschenkt in der Atomfrage Zeit
Cottbus (ots)
Ein "Rat der Weisen", eine "Ethikkommission" soll es nun also für die Kanzlerin zusätzlich richten. Man muss schon sehr kreativ sein, um sich vorzustellen, welche ethischen und moralischen Fragen rund um die Atomkraft das Gremium neu aufwerfen könnte, die Befürworter und Gegner der Kernenergie in den vergangenen Jahrzehnten noch nicht intensiv thematisiert haben. Seit den 70er-Jahren, erst recht seit dem Supergau von Tschernobyl 1986, und jetzt erneut durch die japanische Katastrophe. Die "gesellschaftliche Betrachtungsweise" der Atomkraft, von der Angela Merkel am Dienstag gesprochen und die das Gremium zu analysieren hat, dürfte sich durch Fukushima kaum verändert haben. Sie ist kontrovers. Aber offenbar ist das alles für die Koalition neu. Es gibt große Skepsis und viele Sorgen auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Haltung, dass die Kernenergie für das Land unverzichtbar ist. Noch. Einzig die Angst vor dem Restrisiko ist mal größer, mal geringer, weshalb die Diskussionen mal lauter, mal leiser geführt werden. Derzeit muss sich die Kanzlerin nur jede Talksendung anschauen, häufiger mal Zeitung lesen oder sich von ihren Vertrauten berichten lassen, was an den Stammtischen geredet wird, dann weiß sie, wie die gesellschaftlichen Meinungen verlaufen. Dafür bedarf es keiner noch so prominent besetzten Kommission. Der Verdacht liegt somit nahe, dass Merkel sich lediglich die Strahlkraft und die Expertise der von ihr benannten Persönlichkeiten zunutze machen will - kurzfristig für die wichtigen Landtagswahlen am kommenden Sonntag in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, mittelfristig für ihren neuen oder vielleicht sogar alten Atomkurs nach dem Ende des dreimonatigen Moratoriums. Wer weiß das schon. Denn genau das ist der Kern des Problems - Angela Merkel fährt im Moment ein Ausweichmanöver nach dem anderen. Sie meidet jegliche Vorfestlegung über ihren künftigen Kurs und ordnet alles den neuen Sicherheitsüberprüfungen der AKW unter. Bei Meilern übrigens, die vor sechs Monaten angeblich noch die sichersten der Welt waren und deren Laufzeitverlängerung als Teil einer energiepolitischen "Revolution" von Schwarz-Gelb gefeiert wurden. Merkel reagiert mit Kommissionen, mit Gipfeltreffen und blumigen Exkursionen über "eine Vielzahl von Fragestellungen". In Wahrheit wartet sie einfach ab und lotet aus, wie sich die Stimmung in Sachen Kernenergie hierzulande entwickeln wird. Allein daran richtet Merkel derzeit ihr Handeln aus, anstatt rasch einen neuen Atomkonsens in Angriff zu nehmen. Drei Monate wird das jetzt noch mindestens so gehen. Jede Menge Zeit, die die Stimmungskanzlerin da für eine Neuausrichtung in der Energiepolitik verschenkt.
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