Lausitzer Rundschau: Geschmacklosigkeiten Zum Abschlussbericht über den Smolensk-Absturz
Cottbus (ots)
Was für Norwegen das Breivik-Attentat ist, das war für Polen der Absturz der Kaczynski-Maschine am 10. April 2010. Die Katastrophe von Smolensk war ein nationaler Schock. Nicht nur der Präsident kam damals ums Leben. Mit ihm starb ein großer Teil der politischen und gesellschaftlichen Elite des Landes. Verheilt sind die Wunden bis heute nicht. Das hat die Veröffentlichung des Abschlussberichts zu den Unglücksursachen am Freitag erneut gezeigt. So bekamen selbst die Angehörigen der Opfer das Dokument erst unmittelbar vor der Präsentation zu Gesicht. Das ist eine Geschmacklosigkeit, die allerdings kaum zu vermeiden war. Schließlich gehören zahlreiche Oppositionspolitiker zu den Hinterbliebenen, allen voran Jaroslaw Kaczynski. Und der Zwillingsbruder des getöteten Präsidenten hat seit jenem verhängnisvollen 10. April 2010 nichts anderes im Sinn, als die Regierung von Premier Tusk oder wahlweise den russischen Geheimdienst für die Katastrophe verantwortlich zu machen. Man muss deshalb kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass dieser Abschlussbericht vieles mit sich bringen wird - nur keinen Abschluss. Kaczynski wird weiter zündeln. Er macht mit der Tragödie Politik. Auch das ist eine Geschmacklosigkeit. Doch Kaczynski erreicht damit einen beträchtlichen Teil des Wahlvolks, das dem Kreml und auch dem eigenen Regierungschef nahezu alles Böse zutraut und bereit ist, an Verschwörungstheorien von einem russischen Anschlag zu glauben. Nichts und niemand wird diese Verbohrten bekehren können. Da hilft auch der Rücktritt des Verteidigungsministers nicht, der kaum mehr als ein Bauernopfer ist. Der Untersuchungsbericht selbst zeichnet ein schonungsloses und ziemlich genaues Bild vom Hergang der Katastrophe. Es zeigt Erschreckendes. Der Dilettantismus, mit dem Warschau und Moskau die Reise der Präsidentendelegation vorbereiteten und bis zum bitteren Ende durchzogen, ist erschütternd. Hinzu kam ein großes Maß an Selbstüberschätzung. "Eine Präsidentenmaschine stürzt nicht ab", lautete die unausgesprochene Devise der handelnden Personen. Das war ein tödlicher Irrtum.
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