Lausitzer Rundschau: Zur überraschenden Zinssenkung der Europäischen Zentralbank
Auf die Finger gucken
Cottbus (ots)
Es scheint nicht die Zeit zu sein, Geldpolitik nach den Methoden der "reinen Lehre" zu gestalten. Dafür sind die Banken zu wackelig, die Regierungen der Eurozone zu zerstritten, die Märkte zu misstrauisch, große Handelspartner zu arm dran und die Weltkonjunktur zu brüchig. Es kann aber auf Dauer nicht der richtige Weg sein, dass die Europäische Zentralbank die einzig funktionierende Institution in Euroland ist und noch dazu eine, die außer Appellen nur billiges Geld als Waffe einsetzen kann. Denn dass nur teures Geld hartes Geld ist, ist eine Binsenweisheit der Geldgeschichte. Oder, wie es ein früherer Bundesbankvorstand am Donnerstag ausdrückte: "Letztlich muss die EZB die Gefahr im Blick behalten, dass langfristig niedrige Zinsen das Inflationsrisiko erhöhen." Und Inflation trifft die Ärmsten am härtesten, weil Renten, Kinder- und Arbeitslosengeld sowie Bafög-Sätze am schnellsten unter nachlassender Kaufkraft leiden. Der neue EZB-Präsident Draghi hat sich mit der die Märkte überraschenden Zinssenkung der Gefahr ausgesetzt, billiges Geld zu schnell als Medizin einzusetzen. Gut, er konnte es geldpolitisch begründen: Die Geldmenge wachse nur schwach, Kredite nähmen nur langsam zu. Die EZB steuere nicht die aktuelle, sondern die zukünftige Inflation, und die zeige nach unten. Richtig ist, dass die EZB die Liquidität, die sie Banken durch den Aufkauf von mehr oder weniger unverkäuflichen Staatsanleihen zukommen lässt, mit Gegengeschäften wieder aus dem Markt zieht. Und richtig ist auch, dass Draghi mit seinen grundlegenden Appellen viel elementar Richtiges sagte: Regierungen müssen die Staatshaushalte zurückfahren. Sozialversicherungssysteme gehören der demografischen Wirklichkeit angepasst. Staatsschulden müssen bedient werden. Der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB kann die Renditen nicht dauerhaft drücken. Dass er auch im Krisenmodus der Währungsunion solche Maßstäbe formuliert, spricht für Draghi. Aber man wird ihm auf die Finger gucken müssen, ob er sich daran hält. Die erste flotte Zinsentscheidung hält den Zweifel wach, ob Draghi tut, was er sagt.
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