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Lausitzer Rundschau: Zu den finanzpolitischen Beschlüssen des EU-Gipfels in Brüssel
Babylon Europa
Von Werner Kolhoff

Cottbus (ots)

Was soll über diesen EU-Gipfel wohl einer denken, der zum Beispiel in Singapur auf einem Haufen Geld sitzt und es in europäische Staatsanleihen investieren könnte? Wieso soll er nun mehr Vertrauen haben in dieses sonderbare Gebilde Europa, in dem keiner zu regieren scheint und jeder den anderen abblocken darf, bis es Morgen wird über den Verhandlungssälen. In dem schwache Länder einem gemeinsamen Währungsraum mit starken Ländern angehören und gleich viel Sitz, Stimme und Blockademacht haben. In dem schon einmal Investoren mit einem Schuldenschnitt für ihre Leichtfertigkeit bestraft wurden. Jetzt versprechen die gleichen Verantwortlichen zwar, so etwas nicht noch mal zu machen, weil ihnen dämmert, dass man Leuten, von denen man etwas haben will, nicht drohen sollte. Aber wer kann das glauben? Und wieso sollten die neuen Schuldenbremsen und automatischen Sanktionen verbindlicher sein, als die alten des Vertrages von Maastricht, der bekanntlich als Makulatur endete? Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Investoren aus Singapur, Schanghai oder New York weiter einen Bogen um Euroland machen werden, denn dieser Gipfel hat gezeigt, wie unreif das Gebilde EU ist. Jetzt wird es auch noch ein Kontinent der zwei Geschwindigkeiten und es ist offen, ob das in der Praxis funktioniert. Der gemeinsamen Fiskalpolitik von 23Staaten steht als Preis die Abspaltung von vier Staaten gegenüber, vor allem Großbritanniens. So wird Vertrauen nicht zurückkehren, jedenfalls nicht schnell. Vorerst können nur weitreichende gemeinschaftliche Garantien und die Gelddruckkapazitäten der EZB den Euro stabilisieren, so sehr sich die Deutschen auch dagegen sträuben mögen. Europa hat zwar eine Gemeinschaftsidee, aber stärker sind noch immer die 27nationalen Identitäten, die eben auch 27Egoismen sind. Es ist ein wahrhaft babylonischer Kontinent. Für diesen seltsamen Verbund gebe es in der ganzen Menschheitsgeschichte kein Beispiel, hat Helmut Schmidt in seiner viel beachteten Rede am vergangenen Sonntag gesagt. Und gefordert, trotzdem nicht von ihm zu lassen, ihn trotzdem schrittweise zu entfalten. Weil das die Lehre aus der kriegerischen Geschichte des Kontinents sei, und weil es dazu keine Alternative gebe, wolle man in Zukunft Frieden, Freiheit und Wohlstand sichern. Das stimmt, aber es fällt immer schwerer zu glauben, dass es auch gelingen kann. Über das gemeinsame Geld jedenfalls wohl nicht.

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