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Lausitzer Rundschau: Muster ohne Wert Zum Antrittsbesuch von Bundespräsident Gauck in Polen

Cottbus (ots)

Joachim Gauck sind die Herzen auch in Polen zugeflogen. Bei seiner ersten Auslandsreise prasselte in Warschau Lob von allen Seiten auf den neuen Bundespräsidenten nieder. Die Liberalen um Ministerpräsident Donald Tusk sehen in ihm vor allem den Herold der Freiheit und des geeinten Europas. Die Konservativen und Anti-Kommunisten um Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski bewundern Gauck als Stasi-Jäger. Und die gesamte Nation fühlt sich geehrt durch die warmen Worte des deutschen Staatsoberhauptes, der die Polen mit ihrer Freiheitsliebe immer wieder als sein Vorbild preist. Bei Joachim Gauck darf man sich sicher sein, dass es sich bei den Komplimenten nicht um die üblichen diplomatischen Bauchpinseleien bei einer Antrittsvisite handelt. Immer wieder betonte er an den beiden Besuchstagen, dass ihm die Polenreise "ein Herzensanliegen" sei. Das sorgte für beste Stimmung bei ihm und seinen Gastgebern, die Lust auf künftige Großtaten machen sollte. All das ist gut und schön und richtig. Doch niemand sollte die Wirkung von Gaucks Heimspiel bei seinen alten polnischen Freunden überbewerten. Wenn er seinem eigenen Gestaltungsanspruch gerecht werden will, der für einen Bundespräsidenten mit seinen begrenzten Kompetenzen besonders schwer zu erfüllen ist, wird Gauck mehr liefern müssen. Mit dem Versuch, direkt von Warschau aus nach Paris weiterzufliegen, um auch dem deutsch-französischen Verhältnis einen ersten eigenen Stempel aufzudrücken, ist der Präsident gescheitert. Schon wahr: Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy befindet sich im Wahlkampf und hat weder Zeit noch Sinn für einen faktisch machtarmen Repräsentanten aus Berlin. Doch die "Abfuhr für Gauck", von der hinter den diplomatischen Kulissen gemunkelt wird, sollte ihm ein erstes Warnzeichen sein, die Ausstrahlung und Wirkungskraft der eigenen Person nicht zu überschätzen. So gesehen war die Polenreise des neuen Bundespräsidenten kaum mehr als ein Muster ohne Wert. Immerhin aber hat Gauck bewiesen, dass er es kann. Der 72-Jährige ist ohne Zweifel ein würdiger Repräsentant der Bundesrepublik. Sein Temperament mag ihm das eine oder andere Mal noch einen Strich durch die diplomatische Rechnung machen. Doch mit seiner ehrlichen und offenen Herzlichkeit wird er sich und seinem Land noch viele Freunde auch im Ausland machen.

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