Lausitzer Rundschau: Ärztin am Athener Krankenbett Zum Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Griechenland
Cottbus (ots)
Spät, aber noch nicht zu spät ist Angela Merkel nach Athen gereist. Es war bisher, als ob die Chefärztin den Patienten nicht besuchen wollte, weil sie wusste, dass sie mit Vorwürfen über die höllischen Schmerzen der von ihr verordneten radikalen Therapie konfrontiert werden würde. Es war, als kneife sie. Ihre schwere Krankheit, diesen Verfall durch chronische Überdosierung mit Krediten, haben sich die Griechen selbst zuzuschreiben. Die Schuldzuweisungen an Berlin sind im Kern falsch. Auch dass die Krankheit so schwer verläuft, ist Sache Athens. Kein deutscher Politiker kann dafür, wenn die Reichen dort nicht wenigstens jetzt zum Steuerzahlen gebracht werden, wenn es nur die Armen und die Jungen trifft. Es ist beschämend, dass sich am Dienstag mit dem Linken Bernd Riexinger ein deutscher Parteivorsitzender im Ausland der Demagogie gegen sein eigenes Land anschloss. Mit den einfachen Menschen Griechenlands ist hingegen Solidarität angebracht. Und wer sie hierzulande nicht aufbringt, auch weil er täglich über den angeblichen Griechen-Schlendrian aufgehetzt wird, der sollte sich an das Schicksal der vielen Ostdeutschen erinnern, denen Sozialismus und Wende ebenfalls ihre Lebensplanung zerriss, ohne dass sie individuell etwas dafür konnten. So wie Ostdeutschland ein Teil Deutschlands ist und war und deshalb geholfen werden musste, so ist Griechenland ein Teil Europas. Die Schuldenkrise ist ein Stresstest für die europäische Solidarität. Merkels Zögern hatte auch damit zu tun, dass sie lange glaubte, ihren Wählern daheim diese Solidarität nicht abverlangen zu können. Dass es mit der Solidarität also in Wahrheit nicht weit her ist. Lange nahm die Kanzlerin Rücksicht auf die "Griechenland-Raus"-Strategen, die es in ihrer Partei und noch mehr bei ihren Partnern CSU und FDP zuhauf gibt. Merkel hat den Kranken deshalb länger leiden lassen als nötig. Und sie hat dann strikt auf Zuckerbrot und Peitsche bestanden, Leistung und Gegenleistung, Kredit gegen Reform. Jetzt freilich droht der Patient an einer Überdosis dieser harten Medikation zu sterben. Jetzt braucht er vorübergehend mehr Zuckerbrot - mehr Vertrauen, mehr Zeit, mehr Investitionen und sehr bald noch mehr Geld. Merkel muss das nun den Deutschen erklären. Denn die Kanzlerin hat dem griechischen Patienten gestern Mut gemacht. Und ein solches Versprechen am Krankenbett verpflichtet auch die Ärztin.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de
Original-Content von: Lausitzer Rundschau, übermittelt durch news aktuell