Lausitzer Rundschau: Eine Vision erkaltet Zum Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Moskau
Cottbus (ots)
Vor elf Jahren hielt Wladimir Putin im Deutschen Bundestag eine Rede, die historisch war. Die Abgeordneten standen auf und applaudierten lange. Wer die Ansprache heute noch einmal nachliest, spürt wieder die ernsthafte Sehnsucht des damals noch relativ neuen russischen Präsidenten, mit seinem Land endlich wieder zu Europa zu gehören. Ausdrücklich zu einem demokratischen und aufgeklärten Europa. Die damalige Aufbruchstimmung war auf beiden Seiten von großen politischen Hoffnungen, ja von fast historischen Sehnsüchten geprägt, nicht vordergründig von ökonomischen Interessen. Von einer "strategischen Partnerschaft" war bald die Rede. Geblieben ist davon sehr wenig. Putin, was ist aus dir geworden? Der Präsident hat sich wie alle Potentaten, die über zu viel Macht verfügen, längst verloren in der Idee, noch mehr Macht zu besitzen. Der damals so begeistert applaudierende Bundestag spricht jetzt Klartext. Und Kanzlerin Angela Merkel sagt mittlerweile sogar schon bei Staatsbesuchen offen, was sie denkt. Sympathisch verpackt. Verändert hat sich auch, dass inzwischen selbst die Wirtschaft - und zwar in beiden Ländern - spürt, dass eine einseitig auf Rohstoffe gegründete Ökonomie wie die russische in der modernen Welt nicht weit kommen wird. Und trotzdem gibt es noch den Alltag, die deutsch-russische Routine. Die Routine zwischen den Unternehmen, die hin und her investieren, die Routine bei den jährlichen Regierungstreffen. Allerdings ist es eine kalte Routine, wie sie schlechte Ehen nach einer Weile kennzeichnet. Geblieben ist von den einstigen politischen Hoffnungen nicht viel mehr als eine ökonomische Zweckgemeinschaft. Auch das ist schlechten Ehen ja nicht unähnlich. Der Rubel rollt. Die Frage ist, wie lange diese beiden Entwicklungen noch nebeneinander existieren können. Angela Merkel traf am Freitag nach ihren offiziellen Gesprächen beim Botschaftsempfang ein paar Oppositionelle, um ein Zeichen der Unterstützung in die Zivilgesellschaft zu geben. So wie immer, wenn sie in Moskau ist. Und Putin wird wie immer bei nächster Gelegenheit ein paar von diesen Leuten verhaften und ihnen den Prozess machen lassen. Wegen "Verleumdung", "Hochverrat" oder Zusammenarbeit mit ausländischen Organisationen. Die Gesetze dafür hat er sich seit seinem zweiten Amtsantritt im Mai geschaffen, den politischen und gesellschaftlichen Rückhalt schon länger. Russland ist auf einem anderen Weg als vor elf Jahren. Die Kluft zu Europa, auch zu Deutschland, wird größer.
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