Lausitzer Rundschau: Die Krise in Griechenland und die Debatte in Deutschland
Wahlkampf und Wahrheit
Cottbus (ots)
Der frühere Reichskanzler Otto von Bismarck sagte einst, je weniger die Leute "wüssten, wie Würste" und Gesetze "gemacht würden, desto besser schliefen" sie. Das beherzigt die deutsche Politik bei Griechenland derzeit gründlich. Die Opposition will aus dem bisherigen Scheitern aller Rettungsmaßnahmen ableiten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bekennen muss, dass ihre Politik versagt hat. Außerdem soll sie zugeben, dass es jetzt direkt an deutsche Steuergelder für Athen geht. Was aber wollen SPD und Grüne selbst? Sind sie dafür, gemeinschaftlich für die Schulden in Europa zu haften? Sind sie für eine Transferunion zwischen Nord und Süd, letztlich vom Konto des VW-Arbeiters auf das des Arbeitslosen auf dem Peloponnes? Dann sollen sie das klar sagen und auf ihre Wahlplakate schreiben. Und die Regierung? Versucht Zeit zu schinden. Angela Merkel verpackt das zwar mit der Wortgirlande, dass es um die komplizierte Balance zwischen Reformdruck auf Griechenland und Hilfsleistung gehe. Doch ist längst deutlich, dass Griechenland unter der Garotte eines brutalen Sparkurses nicht mehr genug Luft bekommt, um wieder zu genesen. Die verlangten strukturellen Reformen sind alle richtig, aber sie können ihre Wirkung in einer tiefen Rezession gar nicht entfalten. Die Konsequenz daraus wird von der Troika inzwischen klar gesehen, insbesondere vom IWF: Griechenland braucht mehr Zeit, mehr Kredit und einen Schuldenverzicht der öffentlichen Gläubiger. Vor allem Deutschland sperrt sich dieser Erkenntnis und sucht aus innenpolitischen Gründen nach Lösungen, die das noch einmal kaschieren. Das macht die Verhandlungen in Brüssel derzeit so kompliziert. Die Griechenland-Retter müssen sich endlich ehrlich machen. So wie die Bundesrepublik mit den neuen Ländern eine Transferunion bildete und bilden musste, so muss es Europa mit Griechenland tun. Eventuell auch mit Portugal. Diese beiden Länder werden, anders als Spanien und Italien, noch lange Zeit nicht auf eigenen Beinen stehen können. Ihnen nützt deshalb kein Fitness-Programm, erst recht keine Spardiät, sie müssen erst einmal gepäppelt werden. Auch mit deutschem Steuergeld. Oder aber, das ist die Alternative, diese Krisenländer müssen den Euro verlassen - mit unkalkulierbaren Folgen für die Wirtschaft auch in Deutschland. Das hörte man gestern nicht im Deutschen Bundestag. Otto von Bismarck sagte einst übrigens auch, es werde niemals so viel gelogen wie während des Krieges, nach der Jagd - und vor der Wahl.
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