Lausitzer Rundschau: Aus für Bundesbildungsministerin Annette Schavan
Stilvoll im Abgang
Cottbus (ots)
Routinierter kann eine Kanzlerin einen Ministerwechsel nicht vollziehen. Freilich ist das kein Wunder. Acht von 14 Ministerien haben jetzt einen anderen Chef als zu Beginn der Legislaturperiode. Rotation nennt man das im Fußball, und dort ist sie oft Ausdruck von Unentschlossenheit und Verlegenheit des Trainers. Nicht, dass Angela Merkel in jedem Fall Mitverantwortung dafür trüge, die falschen Leute ausgesucht zu haben. Dass Annette Schavans Doktorarbeit nach 33 Jahren zum Thema werden würde, konnte niemand ahnen. In anderen Fällen aber, siehe zu Guttenberg, siehe auch Franz-Josef Jung oder Kristina Schröder, muss man die Kanzlerin schon fragen, warum sie beim Regierungspersonal sachfremde Vorgaben akzeptiert hat. Wünsche von Koalitionspartnern etwa oder den Regionalproporz der CDU. Freilich, auch daraus hat die Kanzlerin inzwischen offenbar gelernt. In der Nachfolgefrage hat sie jetzt schnell gehandelt und Ansprüche der Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberger rigoros übergangen. Mit der Sächsin Johanna Wanka, die in Brandenburg und zuletzt in Niedersachsen tätig war, ist ein reibungsloser Wechsel im Amt garantiert. Der Stil, in dem Annette Schavan ihren Abgang hinnahm, zeugt von politischem Geschmack. Natürlich konnte sie nicht mitten im Staatsbesuch in Südafrika aufstehen und sagen: Sorry, ich bin gerade zurückgetreten in Deutschland. Natürlich musste sie nach der Aberkennung ihres Doktortitels zunächst ihre Rückkehr nach Berlin abwarten. Aber dann hat sie nicht gezögert. Eine Wissenschaftsministerin, der der Doktor wegen absichtlicher Fälschung entzogen wird, kann nicht mehr Wissenschaftsministerin sein. So wie ein Alkoholfahrer nicht Verkehrsminister. Und, wenn sie wie Schavan gegen den Vorwurf klagt, kann sie trotzdem nicht im Amt bleiben, weil sie für die Dauer ihrer Klage politisch blockiert ist. Wenigstens dieses zweite Argument hat Schavan für sich akzeptiert. Erst das Land, dann die Partei, dann ich. Ein großes Wort. So wie das am Samstag gelaufen ist, kann Annette Schavan nach der Bundestagswahl ehrenhaft wiederkommen, in ein anderes Amt. Man muss keinen Doktor haben, um zum Beispiel Bundestagspräsidentin zu sein. Was in der Reibungslosigkeit dieses Wechsels übersehen wird, ist die Debatte um die politische Konsequenz. Bei den Dissertationen sowieso, hier scheint Vieles im Argen zu liegen. Aber mehr noch strukturell in der Wissenschaftspolitik. Schavan hat viel Geld umsichtig verteilt. Deutschlands Ruf als Wissenschaftsstandort ist wieder besser geworden. Aber 2006 sah Schavan tatenlos zu, als der Bund im Zuge der Föderalismusreform weitere Zuständigkeiten an die Länder verlor. Die Folge ist das Chaos an den Hochschulen bei der Umsetzung der Bologna-Reform. Schavan war 2005 aus der Landespolitik gekommen und hatte die Länderegoismen auf diesem Feld vorher selbst vertreten. Da konnte sie sich nicht so schnell die Bundesbrille aufsetzen. Jetzt braucht Deutschland aber einen Bildungsminister, der den Ländern Zuständigkeiten wieder abjagt. Mindestens aber Druck auf sie ausübt, damit sie sich mehr koordinieren. Nun kommt mit Johanna Wanka jedoch wieder eine Föderale. Sie hat jetzt bis zur Wahl im Herbst siebenMonate Gelegenheit, sich zur Ministerin mit Bundesperspektive zu mausern.
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