Lausitzer Rundschau: Die Stunde der Taktiker Was Horst Seehofers neue Stärke für die Bundeskanzlerin bedeutet
Cottbus (ots)
Es gab Zeiten in der abgelaufenen Legislaturperiode, da sorgte der Name Horst Seehofer bei seinen Koalitionspartnern CDU und FDP für Grausen. Sein inhaltlicher Wankelmut wurde sogar als Größenwahn und Belastung für die Koalition beschrieben. Freilich nur hinter vorgehaltener Hand. Jetzt ist der Bayer stark wie nie - die Rückeroberung der absoluten Mehrheit hat aus "Crazy Horst" den "Super Horst" werden lassen. Angela Merkel wird den Erfolg Seehofers mit gemischten Gefühlen betrachten. Bestenfalls. Richtig ist: Das Wahlergebnis nützt der Kanzlerin sicherlich auf den letzten Metern bis zur Bundestagswahl. Es zeigt, was möglich ist auf der konservativ-bürgerlichen Seite, wenn die Mobilisierung stimmt. Seehofers Politikstil ist in Wahrheit Merkel auch zum Teil nicht fremd. Auch die Kanzlerin hat schon die eine oder andere inhaltliche Kehrtwende hingelegt, um die CDU breiter aufzustellen und für mehr Wähler attraktiver zu machen. Sie praktiziert es nur leiser und ohne Gepolter. Hinter den Kulissen hält sich allerdings der Jubel in der Union über die absolute Mehrheit der CSU in Grenzen. Denn das damit einhergehende Debakel der bayerischen FDP ist zugleich ein schlechtes Signal für die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition in Berlin. Entweder, der Wähler verleiht den Liberalen in einem Akt der Solidarisierung noch einmal Flügel, oder aber das bayerische Wahlergebnis zieht Rösler & Co. mit in den bundespolitischen Tod. Beides ist am 22. September möglich. Tatsächlich schlägt dank Seehofers Erfolg somit jetzt die Stunde der Wähler, die taktisch motiviert ihre Zweitstimme abgeben. Das kann der Kanzlerin nicht gefallen, denn wie in Niedersachsen kann berechnendes Votieren auch in die Hose gehen. Insofern wäre es für Merkel bequemer gewesen, an der Isar hätte Schwarz-Gelb weiter regieren können. Jetzt ist für die CDU-Vorsitzende alles viel konfuser geworden. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre ist Merkel zudem gewarnt. Das Regieren mit Horst Seehofer kann zur Strapaze werden. Bekommen Union und FDP am nächsten Sonntag den Auftrag für die Fortführung ihres Bündnisses, wird der CSU-Chef seine neue Stärke dazu nutzen, um der Kanzlerin und den Koalitionären mit seinen Forderungen das Leben noch schwerer zu machen als bisher. Auf die Liberalen kann Merkel dann nicht zählen, um dem Christsozialen irgendwie seine Grenzen aufzuzeigen, wenn sie nur mit Mühe und Not die Fünfprozenthürde schaffen sollten. Viel komfortabler wäre für die CDU-Chefin daher eine Große Koalition mit der SPD. In einem solchen Bündnis mit zwei deutlich stärkeren Partnern wäre Seehofers Bedeutung wohl gestutzt - trotz des Wahlsiegs in Bayern. Oder aber Merkel müsste ihren Regierungsstil ändern und klarer auf ihre Richtlinienkompetenz pochen. Das würde bedeuten, sich einer weiteren Eigenschaft Seehofers anzunähern - also mehr persönliche Härte bei inhaltlichen Fragen zu zeigen, zuerst bei der Maut. Das ist aber nicht zu erwarten. Für eine politische Rauferei in der Art bayerischer Wirtshausschlägereien ist Merkel einfach nicht der Typ.
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