Lausitzer Rundschau: Wasser und Wein Über die Zustände in Politik und Gesellschaft
Cottbus (ots)
Die Fahrbereitschaft des Bundestages, das Thema Dienstwagen überhaupt, ist eine schöne Parabel auf manche Zustände im Land. Man predigt öffentlich Wasser. Und trinkt heimlich Wein. Beileibe nicht nur die Politiker. Ärzte rauchen, Bischöfe bauen sich Residenzen, und nicht jeder Umweltminister ernährt sich gesund. Vorne sitzen Fahrer, die für 950 Euro im Monat arbeiten müssen, hinten Abgeordnete, die netto das Sechsfache haben und für soziale Gerechtigkeit kämpfen. Die Fahrbereitschaft ist ausgelagert, ein privates Unternehmen, das gerade so über die Runden kommt. Derzeit eher nicht. Genauso wie der Putzdienst und manches andere. Das ist effektiv. Der Kostendruck ist hoch. Das Risiko des Scheiterns tragen allein die Arbeitnehmer. Von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dieser Jobs reden wir an dieser Stelle lieber nicht. Überall funktioniert die Gesellschaft so. Die daraus resultierenden Probleme - Niedriglöhne, Altersarmut, Kindermangel - sorgen dafür, dass die, die hinten sitzen in den Limousinen, weiter gut zu tun haben. Sie müssen sie ja lösen. Man fährt Nobelkarossen von deutschen Herstellern, mit diesem Produkt ist das Land führend in der Welt. Man fährt sie auch für wenige Kilometer durch die Stadt, parallel zu S- und U-Bahnen. Kohlendioxid-Ausstoß? Nachhaltigkeit? Nun, sonntags müssen ja auch noch Reden gehalten werden. Auch von den Bischöfen, von der Kanzel. Einige von ihnen fahren, enthüllte die Deutsche Umwelthilfe am Donnerstag nach einer Untersuchung , besonders dicke Limousinen. Vor allem die katholischen. Die Hersteller der Nobelkarossen haben eine starke Lobby. Sie schaffen und erhalten Arbeitsplätze. Diese Lobby verteidigt mit Zähnen und Klauen ein einmaliges System steuerlicher Subventionen, genannt Dienstwagenprivileg, das dafür sorgt, dass die Hälfte ihres Inlandsabsatzes vom Staat gefördert wird und Leute, die wesentlich besser verdienen als die Fahrer der Fahrbereitschaft, sehr billig sehr große Autos fahren können. Dafür trennen sie aber zu Hause sorgsam den Müll und kaufen Bioprodukte. Außerdem haben die Hersteller mithilfe der Bundesregierung durchgesetzt, dass die zulässigen Höchstgrenzen für Kohlendioxid in Europa nicht so stark sinken, wie das technisch und ökonomisch möglich wäre. Diese gleiche Bundesregierung tritt bei internationalen Klimakonferenzen trotzdem auftrumpfend auf und verlangt von den Schwellenländern, wo die meisten noch nicht mal einen Kleinwagen haben, mehr Anstrengungen. Das ist das deutsche Modell. Die deutschen Regierungen halten es den anderen Europäern gern vor. Sie sollen mehr sparen, auch wenn sie nicht wie wir Export-Vizeweltmeister sind. Sie sollen Stellen im öffentlichen Dienst abbauen - sollen ebenfalls mehr Aufgaben privatisieren. Sie sollen anders als wir ihre Industrie nicht subventionieren. Und sie sollen unsinnige Sozialleistungen kappen. Das sagt eine Regierung, deren Finanzminister gerade verspricht, den eigenen Sparkurs zu lockern, trotz über zwei Billionen Euro Staatsschulden. Die unsinnige Sozialleistungen wie das Betreuungsgeld erfunden hat, und die nun, in neuer Konstellation, daran geht, weitere Sozialleistungen zu schaffen - ohne an anderer Stelle irgendetwas zu kürzen. Schon gar nicht bei den Dienstautos. Bald ist Weihnachten und Neujahr. Man freut sich schon auf die Ansprachen. So viel Wasser.
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