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Lausitzer Rundschau

Lausitzer Rundschau: Zu Hamburgwahl: Die Heuchler von Berlin

Cottbus (ots)

Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zu Hamburgwahl:
Die Politik ist dabei, auch den letzten wohlmeinenden (oder
naiven) Bürger zu verprellen. Da zofft sich Toll Collect seit Jahren
mit der Bundesregierung um Maut-Details, ausgerechnet am Abend der
Hamburgwahl mischt sich der Kanzler ein - und plötzlich geht es. Ein
Ablenkungsmanöver von Gerhard Schröder, um das SPD-Desaster in
Hamburg zu übertünchen. Dreist auch das Trachten der Union, mit den
Fingern auf die Genossen zu zeigen. CDU und CSU gerieren sich nämlich
um keinen Deut besser, obwohl sie in der Wählergunst derzeit ganz
oben stehen. Der Sensationssieg des Ole von Beust belegt weniger die
Stärke der konservativen Kraft, als vielmehr die zunehmende
Bindungslosigkeit der Wähler. Diese reagieren immer situativer und
impulsiver, sie belohnen und bestrafen im rasanten Tempo der modernen
Zeit: Das Volk demonstriert auf flexible Weise, dass es der
politischen Beliebigkeit der Parteien eine eigene Beliebigkeit
entgegenzusetzen vermag. Die Bürger sind "wählerisch" geworden. Und
sie tun recht damit, ist es doch fast schon egal, welcher Partei man
Verantwortung überträgt: Schröder und die SPD machen längst eine
astreine CDU- Politik, die CSU ist mitunter sozialer als die SPD,
Grüne und Liberale lassen sich nur noch durch Kontrolle des
Parteibuchs unterscheiden. Insofern spielt es auch keine Rolle, ob
nun Ole von Beust oder Thomas Mirow in Hamburg regiert. Und genau so
gleichgültig erscheint es, ob Schröder oder Angela Merkel im
Kanzleramt sitzt. Auch die Präsidentenfrage legt den Verdacht nahe,
dass das Endstadium des politischen Gewürges offenbar noch nicht
erreicht ist. Niemand, der noch ganz bei Trost ist, braucht sich
deshalb über die zunehmende Politikverdrossenheit zu wundern. Es
wirkt beinahe abstoßend, in welch heuchlerischer Manier
Spitzenpolitiker über "den besten Kandidaten" oder "fähigste
Persönlichkeit" schwadronieren und nichts anderes als Taktik und
Macht im Hintersinn haben. Und der Gipfel: Die gleichen Leute erheben
auch noch den Anspruch, ernst genommen zu werden. Wie dem auch sei,
die CDU-Vorsitzende Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle sitzen in
der selbst gestellten Falle. Wäre es nicht so traurig, könnte man
fast sagen: Das geschieht ihnen gerade mal recht. Seit Beginn des
Kandidaten-Gezerres orientieren sie sich an strategischen
Überlegungen, die ihren eigenen Interessen dienen - und die voller
Tücken sind: Wenn Merkel Wolfgang Schäuble vorschlägt, hat
Westerwelle verloren. Sollte der "bürgerliche Kandidat" aber ein
Liberaler sein, wird Merkel Probleme bekommen. Und wird am Ende ein
unbekannter Kompromisskandidat aus dem Hut gezaubert, den eigentlich
niemand so recht will, dann hätten alle verloren. Wer angesichts
dieser Realsatire immer noch nicht den Mut verloren hat, sollte
wissen: Die Inszenierungen finden ihre Fortsetzungen. Allein in
diesem Jahr folgen noch 13 weitere Wahlen.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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