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Lausitzer Rundschau

Lausitzer Rundschau: Die Forderung nach den Niedriglöhnen im Osten

Cottbus (ots)

Der späten Erkenntnis vom gescheiterten Aufbau Ost
folgt jetzt die Debatte um die Konsequenzen. Sie ist schnell auch auf
einen überaus heiklen Punkt gestoßen, der in den letzten Jahren zu
den Tabuzonen deutscher Politik zählte: Wie viel soll der Osten
verdienen? Dabei geht es nicht etwa abstrakt um die Höhe der
Transferleistungen, sondern ganz konkret um die Frage, ob unter der
Angleichung der Lebensverhältnisse eine stetige Annäherung der
Einkommen zu verstehen ist. Nun kann keiner die Forderung nach
Niedriglöhnen im Osten einfach als Spinnerei abtun. Man darf sicher
darauf hinweisen, dass im Osten im Regelfall länger für weniger, oft
sogar für wesentlich weniger Geld gearbeitet wird. Dennoch liegt
abgesehen von einigen modernen Industriebetrieben tatsächlich in
vielen Bereichen die Produktivität in den neuen Ländern hinter dem
Westen zurück. Förderinstrumente, die anderswo in der EU wie etwa in
Irland oder Spanien gute Erfolge zeigten, griffen bei uns auch wegen
der schnellen Lohnangleichung nicht. Andererseits ist es jetzt
schlicht zu spät, diesen an große Versprechungen geknüpften Prozess
der Einkommensentwicklung im Osten zurückzudrehen. Die Debatte um die
ostdeutschen Niedriglöhne ist heute genauso gefährlich wie einst das
Versprechen von den blühenden Landschaften. Sie ist auch deswegen
überflüssig, weil die Misere im Osten zu einem guten Teil nichts
anderes ist, als der verschärfte Ausdruck der gesamtdeutschen
Stagnation. Wesentliche Teile der in die neuen Länder fließenden
Transferleistungen kommen immer noch aus den
Sozialversicherungssystemen. Alle - Ost wie West - Arbeitnehmer
Deutschlands garantieren die Renten im Osten und indirekt auch die
Gesundheitsversorgung. Sie bringen zu einem erheblichen Teil die
Mittel auf, die in den zweiten Arbeitsmarkt fließen oder ansonsten
zur Unterstützung Arbeitsloser aufgewendet werden. Dies führt zu
Lohnnebenkosten auf Weltrekordniveau und trägt auch hier zu den hohen
Arbeitskosten bei. Diese Anstrengungen werden aber nur von einem
immer kleineren Teil der Gesellschaft aufgebracht. Außen vor ist
beispielsweise die Beamtenschar und deren Pensionen. Außen vor ist
auch der gutbetuchte Erbe, der sich über die Senkung des
Spitzensteuersatzes freuen darf. Es hat seit vielen Jahren immer
wieder Vorschläge gegeben, etwa über eine Mehrwertsteuererhöhung die
gesamte Nation einzubeziehen in diesen notwendigen Transfer. Dies
hätte tatsächlich den Effekt, dass auch in der Lausitz die Lohnkosten
sinken - aber nicht nur dort. Was für die Löhne gilt, gilt auch in
vielen anderen Bereichen. Der Osten braucht nicht in erster Linie
eine Sonderrolle, er braucht, wie die Betriebe im Westen auch,
bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen insgesamt. Er mag an der
einen oder anderen Stelle - etwa im Arbeitsrecht - Vorreiter spielen.
Aber es wäre absurd, jetzt wegen der Misere in den neuen Ländern den
Westen zur Schutzzone gegen überfällige Neuerungen zu erklären. Unter
dem Strich bleiben in der gegenwärtigen Diskussion vor allem
brauchbare Ansätze übrig, die eine gezieltere Förderpolitik in
tatsächlichen Wachstumsbranchen als Kern haben. Darin sind sich
zumindest die Politiker im Osten einig. Und es bleibt der Verdacht,
die Diskussion um die zu hohen Ost-Löhne diene der Ablenkung von den
tatsächlichen Problemen im geeinten Deutschland.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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