Lausitzer Rundschau: Die LAUSITZER RUNDSCHAU Cottbus Zur morgigen Wahl des Bundespräsidenten I
Cottbus (ots)
Man stelle sich nur mal einen Moment lang vor, wie es sich anfühlen würde, wenn am Sonntag in Berlin verkündet würde: Der neue Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland ist eine Bundespräsidentin. Der erneute Versuch, eine Frau in das höchste Amt des Staates zu wählen, wäre geglückt. Was wären die Folgen? Würde unser Land ein bisschen anders aussehen am Montag nach dieser Wahl? Lassen Sie uns ein wenig tagträumen. Eine Frau würde da plötzlich unser Land repräsentieren, was niemandem wehtut und auch international gewiss keinen in Verwirrung stürzen würde. Eine Frau wäre es, die zeigen könnte, dass Deutschland mehr ist als die Summe aus Kosten und Nutzen, dass es Werte gibt jenseits der Aktienkurse. Eine Frau, die links genug ist, um in der SPD zu sein, rechts genug, um auch - zumindest die Frauen - des konservativen und liberalen Lagers für sich einzunehmen. Eine Frau, die fließend parliert auf französisch und polnisch - und die sogar etwas zu sagen hat in diesen fremden Sprachen. Eine Frau, die denkt und streitet über Begriffe wie Demokratie und Pflicht, charmant aber hartnäckig. Bildungsbürgerin im besten Sinne. Eine Frau, die sich die Mehrheit der Bundesbürger wünscht für dieses Amt. Aber was ist mit der CDU, die ja schließlich den aussichtsreichen Kandidaten Köhler ins Rennen geschickt hat? Würde sie nicht leiden unter einer wie Gesine Schwan? Gesicht verlieren und Einfluss? Ein Gedanke, der an Absurdität nicht zu überbieten ist - und dennoch immer wieder wie selbstverständlich gedacht wird. Warum nur sollten die Wahlmänner und -frauen der CDU keine SPD-Kandidatin wählen können? Ist nicht das höchste Staatsamt ein überpolitisches? Haben nicht die Bundespräsidenten der vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass sie plumpe Parteipolitik scheuen wie der Teufel das Weihwasser? Aber da bleibt noch Frau Merkel. Sie zumindest müsste doch Kopfschmerzen und Magendrücken kriegen an einem Montag mit Gesine Schwan. Weil es ja (noch so ein absurder Gedanke) in unserem Land tatsächlich undenkbar ist, dass möglicherweise einmal zwei Frauen - Schwan und Merkel - an der Spitze stehen. So sehr hat sich die CDU- Chefin in provinzielle Denk- und Machtstrukturen hineingelebt, dass sie selbst diesen so schlichten Gedanken nicht mehr wagt: Weibliche Doppelspitze? Warum nicht? Die Qualität zählt, nicht das Geschlecht. Aber nun Schluss mit den Träumen. Sonntag wird Horst Köhler gewählt, Montag sieht unser Land nicht anders aus als heute oder gestern oder vorgestern. Und vielleicht ist es das, was wirklich wehtut.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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