Lausitzer Rundschau: Die LAUSITZER RUNDSCHAU Cottbus zu Wahlkampf im Osten
Cottbus (ots)
Die Wahlkämpfe im Osten nehmen eine überraschende Wende. In Brandenburg wirbt jetzt eine Partei auf Plakaten damit, dass Orangen wieder Apfelsinen heißen könnten. Die PDS, die sich dergestalt als letzte Kämpferin für korrektes Sprachgut enttarnt, weiß wohl, wovon sie redet. Apfelsine bezieht sich auf die chinesische Herkunft der Frucht und China liegt ihr natürlich näher und ganz im Osten. Auch deswegen sind wir hier in der Lausitz eben Apfelsinen-Fans. (...) Es muss leider befürchtet werden, dass die Orangen-Frage eine ernste Sache wird. Wir alle, Lausitzer unterschiedlichster Herkunft, erleben weit mehr als nur eine Auseinandersetzung um die richtige Antwort auf aktuelle Probleme. Es geht um den Kern des ostdeutschen Wir-Gefühls. Schon seit langem und sehr kokett hat sich so mancher Politiker hier damit gespreizt, dass er ein ganz eigenes Ver- ständnis für die Befindlichkeit des Ost-Menschen besitze. Es gehörte ziemlich bald zum schicken Ton in Potsdam und anderswo, den geschichtlichen Bruch von 1989 zu einer Invasion fremder Eindringlinge umzudeuten. Der nostalgische Blick ins Ewiggestrige war bald überaus gesellschaftsfähig. Und wer es immer noch wagte, über solche Nicht-Themen wie Stasi oder Korruption zu reden, ernte mitleidiges Schweigen. Welch gefährliches Spiel da gespielt wurde, zeigt sich jetzt. 1989 gab es, wie bei geschichtlichen Umbrüchen zumeist auch Verlierer. Menschen, denen Macht und Privilegien weggenommen wurden. Sie haben endlich ihr Thema. Der Westen, die kapitalistische Marktwirtschaft, das alles ist für den gemeinen Mann kein Gewinn. Fast alle, jedenfalls die breite Masse, verliert. Und so kann der frühere SED- Bezirkssekretär auch hoffen, sich auf gleicher Augenhöhe mit dem arbeitslosen Müllfahrer wiederzutreffen, für dessen Stimme er jetzt sich die Hacken ablaufen muss. Und wie sehr setzt man auf die dumme Vergesslichkeit, wenn jetzt, wo es tatsächlich bei den reformerischen Schnellschüssen auch um die Würde des Menschen geht, so getan wird, als habe sich der Westen an der Unschuld im Osten versündigt. Die Menschenwürde ist aber keine Frage der Abgrenzung, sie definiert sich ja genau umgekehrt in der Teilhabe. Und es wäre traurig, wenn das Gedächtnis nicht mehr so weit reichte, um sich daran zu erinnern, dass früher schon mal zu besonderen Anlässen wie Parteitagen und Republikgeburtstagen mit Südfrüchten die Volksseele ruhig gestellt werden sollte. Funktioniert hat das allerdings schon damals nicht.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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