Lausitzer Rundschau: Zu Pflegeversicherung: Akuter Pflegefall
Cottbus (ots)
Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zu Pflegeversicherung:
Genau zehn Jahre ist es her, dass alte und bedürftige Menschen erstmals von den Leistungen der Pflegeversicherung profitieren durften. Wer einen Angehörigen zu betreuen hat, wird diesen Sozialversicherungszweig ohne Zweifel zu schätzen wissen. Gleichwohl ist die Pflegeversicherung mittlerweile selbst zum Pflegefall geworden. An einer Reform führt kein Weg vorbei. Wie jede umlagefinanzierte Versicherung leidet auch die Pflegekasse an den Folgen der Massenarbeitslosigkeit. Die Einnahmen schwinden, während die Leistungsansprüche kontinuierlich steigen. Seit 1999 lebt die Pflegeversicherung über ihre Verhältnisse. Zuletzt überstiegen die Ausgaben das Beitragsaufkommen um rund 820 Millionen Euro. Bei Einführung der Pflegeversicherung gab es knapp eine Million Pflegebedürftige. Heute sind es doppelt so viele. Zwar zehrt die Pflegekasse noch von einem stattlichen Finanzpolster aus der Anfangszeit. Doch wenn nichts geschieht, ist das System spätestens in drei Jahren pleite. Auch die seit Januar geltende Beitragsmehrbelastung für Kinderlose kann daran nichts ändern, zumal das erhoffte Einnahmeplus dürftiger auszufallen droht als geplant. Eingedenk dieser erdrückenden Fakten reklamieren Koalition und Opposition unisono Handlungsbedarf. Beide Lager wollen den strukturellen Webfehler beseitigen und eine spürbare Aufwertung der ambulanten Pflege erreichen. Derzeit geht der Trend nämlich immer mehr zur kostenträchtigeren Betreuung in Heimen, weil die Versicherung dafür mehr zahlt. Beide Lager wollen auch die seit 1995 unverändert geltenden Pflegesätze den Lebenshaltungskosten anpassen und die Demenzkranken angemessen berücksichtigen. Hier enden jedoch die politischen Gemeinsamkeiten. Alle dringend notwendigen Verbesserungen kosten eine Stange Geld. Doch ausgereifte Konzepte findeen sich weder bei SPD noch bei der Union. Nur an politischen Worthülsen herrscht kein Mangel. Das Schlagwort heißt Bürgerversicherung. Alle, also auch Beamte und Selbstständige, zahlen in einen Topf Beiträge auf Lohn- und Kapitaleinkommen ein. Und schon ist das Problem gelöst, sagen die Sozialdemokraten. Dass ihr Lieblingsprojekt entscheidende Macken aufweist, weil etwa privat Pflegeversicherte Bestandsschutz genießen und die solidarische Einheitskasse erst in Jahrzehnten verwirklicht werden könnte, wird verschwiegen. Kaum anders verhält es sich mit der Kapitaldeckung, die die Union zur Begleichung der Pflegekosten ins Feld führt. Auf die jüngere Generation kämen immense Übergangsbelastungen zu, weil neben dem Aufbau eines individuellen Kapitalstocks auch die Ansprüche der älteren Generation gedeckt werden müssen. Soll sich in der Pflegeversicherung wirklich etwas bewegen, sind SPD und Union zur Zusammenarbeit verdammt. Ideologische Kampfbegriffe zementieren nur die Schützengräben. Klar ist, dass der geltende Beitragssatz von 1,7 Prozent nicht zu halten sein wird, um die wachsenden Anforderungen an die Pflegeversicherung zu befriedigen. Das müssen die Bürger in aller Klarheit erfahren. Eine gesellschaftliche Diskussion darüber, was uns die Pflege der älteren Generation eigentlich wert ist, steht noch aus.
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