Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau zu Matthias Platzeck und die SPD: Die Bewährungsprobe
Cottbus (ots)
Was für ein Vertrauensvorschuss. Aber auch: Was für eine Bürde. Mit 99,4 Prozent hat die SPD den Brandenburger Matthias Platzeck zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Besser schnitt bislang nur der legendäre Kurt Schumacher ab. Für Platzecks Traumergebnis gibt es eine ganze Reihe von Gründen, darunter jene, die in der Person des 51-jährigen Potsdamers liegen und über die in den vergangenen Tagen jede Menge zu lesen war seine Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, zu überzeugen, Vertrauen zu schaffen. Aber in den 99,4 Prozent versteckt sich weit mehr. An erster Stelle: Erleichterung. Denn inzwischen hat auch der letzte Genosse begriffen, in welch kritische Lage sich die Partei am 31. Oktober manövriert hatte, als ihr Vorstand den bisherigen Vorsitzenden Franz Müntefering fahrlässig in den Rücktritt trieb. Die SPD schien in ihre Einzelteile zu zerfallen, die große Koalition drohte zu platzen. Doch dem Tanz am Abgrund ausgeführt auf einem Bein und mit geschlossenen Augen folgte dann doch nicht der Absturz. Das lag vor allem daran, dass die Müntefering-Nachfolge in rasender Geschwindigkeit geklärt werden konnte. Weil ein Kandidat zur Verfügung stand, der ohnehin als prädestiniert für höhere Aufgaben galt und eben jene Eigenschaften mitbrachte, die es ihm ermöglichen sollten, die widerstreitenden Parteiflügel zumindest kurzfristig hinter sich zu vereinen und so eine Zerreißprobe zu vermeiden. Für die SPD Anfang November 2005 war und ist Matthias Platzeck der ideale Mann. Ex oriente lux aus dem Osten kommt das Licht. Doch Parteitage sind die eine Sache, der politische Alltag ist eine ganz andere. Da wirken die Zentrifugalkräfte in der SPD weiter und zwar unter den Bedingungen der Beteiligung an einer großen Koalition, die Kompromisse abverlangt und immer wieder abverlangen wird, die für manchen Genossen nur schwer erträglich sein dürften. Über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer etwa fällte die SPD noch im Wahlkampf das vernichtende Urteil, diese sei unsozial, schade der Konjunktur und gefährde so Arbeitsplätze. Dennoch haben die Sozialdemokraten der Steuererhöhung jetzt zugestimmt und werden sie künftig mittragen müssen. Hier kommt auf Platzeck die eigentliche Bewährungsprobe zu: Er hat dafür zu sorgen, dass der Laden angesichts solcher, womöglich zunehmender Widersprüche auch dauerhaft nicht auseinander fliegt. Mehr noch: Platzeck muss der SPD wieder ein Selbstverständnis, einen Sinn geben.
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