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Lausitzer Rundschau: Lausitzer Rundschau zu: CDU sucht Gründe für ihr enttäuschendes Wahlergebnis
Der Faktor Gerechtigkeit

Cottbus (ots)

Zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl hat die
CDU gestern den richtigen Zeitpunkt gekommen gesehen, sich offiziell
Gedanken über die Ursachen ihres unerwartet schwachen Abschneidens zu
machen. Historiker erinnern sich: Die Christdemokraten hatten einen
uneinholbar scheinenden Vorsprung in den Umfragen noch vergeigt, am
Ende mit 35,2 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1949 eingefahren
und so das Ziel einer Koalition mit der FDP klar verfehlt. Wer sich
in der Hauptverantwortung für das Desaster sah, war am Wahlabend im
Gesicht der CDU-Chefin Angela Merkel deutlich abzulesen. Dass der 18.
September nicht das Ende ihrer politischen Karriere markierte,
sondern die Grundlage ihrer Kanzlerschaft, war nur möglich, weil es
der CDU-Chefin gelang, die Debatte über die Gründe der Pleite auf
einen Zeitpunkt zu vertagen, an dem sie ihr nicht mehr akut
gefährlich werden konnte. Damit hat Merkel zwar einmal mehr gezeigt,
dass sie über exzellente Nerven verfügt. Jetzt aber ist inhaltliche
Führungsstärke gefragt. Denn die CDU droht weiter, ihre Rolle als
Volkspartei zu verlieren – zumal gestern als Erklärung für das
Wahlergebnis auch wieder die ebenso ermüdende wie irreführende These
angeführt wurde, das eigene Programm sei ehrlich und alternativlos
gewesen, dem Wähler aber nicht ausreichend vermittelt worden.
Kommunikationsdefizite nennt man so etwas im Politikerdeutsch. Die
Wahrheit sieht anders aus – und dürfte für die CDU wesentlich
beunruhigender sein: Die Wähler haben das Programm der
Christdemokraten mit Kopfpauschale, Mehrwertsteuererhöhung,
Aufweichung des Kündigungsschutzes und Senkung des
Spitzensteuersatzes nämlich sehr wohl verstanden – und zu einem
großen Teil abgelehnt. Denn es wurde von ihnen oft nicht als
notwendige Modernisierung der sozialen Marktwirtschaft verstanden,
sondern als schlicht ungerecht. Vor dem gleichen Problem stand
übrigens auch Gerhard Schröder, der mit seiner Agenda 2010 in den
Ländern eine Schlappe nach der anderen einfuhr und sich letztlich in
Neuwahlen im Bund flüchtete, bei denen die SPD dann bekanntlich noch
ein Prozent weniger als die Union erreichte. Ob beide auf Sicht
wieder Ergebnisse jenseits der vierzig Prozent erreichen, hängt davon
ab, ob sie die Lehre aus der Wahl 2005 beherzigen. Die lautet: Eine
dynamische wirtschaftliche Entwicklung ist im vereinten Deutschland
zwar unverzichtbar und erstrebenswert. Der Kitt aber, der die
Gesellschaft zusammenhält, ist und bleibt die (soziale)
Gerechtigkeit. Wie beides in Zeiten der Globalisierung gesichert
werden soll, ist die Frage, auf die beide Volksparteien derzeit
überzeugende Antworten schuldig bleiben.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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