Lausitzer Rundschau: zu: Die Stasi-Unterlagen über Bundestagsabgeordnete
Cottbus (ots)
Es wäre eine kleine Sensation gewesen, hätten die Aktivitäten der DDR-Stasi im Westen noch einmal für schlagzeilenträchtige Enthüllungen gesorgt. Denn das Material, das jetzt der Presse zugänglich gemacht wurde, ist ja längst von den Ermittlungsbehörden durchforstet worden. Es wäre eine wesentlich größere und traurige Überraschung, hätte sich herausgestellt, dass die Mielke-Truppe tatsächlich wesentlichen, gar entscheidenden Einfluss auf die Geschichte der Bundesrepublik hätte nehmen können. Im geteilten Deutschland war die ostdeutsche Geheimpolizei aber von der nachgeordneten Bedeutung, die sie dann beim Untergang der Republik spielte, die sie verteidigen sollte und nicht konnte. Ihre beschränkte Macht wuchs ihr nur dadurch zu, dass ihre Aktivitäten undurchschaubar waren. Es hat auch im Westen Tausende gegeben, die für die Stasi arbeiteten. Deren Tun war nun allerdings auch nicht verwerflicher als das der ostdeutschen Spitzel. Auf beiden Seiten der Mauer war die Arbeit für die Stasi in aller Regel eine freiwillige Charakterlosigkeit. Die Mehrzahl der Umworbenen verweigerte sich hier wie dort, weil sie sehr wohl zwischen politischer Überzeugung und dem Verrat zu unterscheiden wusste. Und so taugen die ertappten West-Spitzel auch nicht zur Entlastung der Ost-IM. Die Neigung, die deutsche Nachkriegsgeschichte als dunkle Verschwörung zu deuten, teilen heute manche vehemente SED-Gegner mit den Geheimpolizisten des Kommunismus. Aber es nützt nicht, die DDR immer wieder auf ihren Sicherheitsapparat zu reduzieren. Auch ihr Verhältnis zur Bundesrepublik wurde - dies machen die neuen Aktenveröffentlichungen noch einmal deutlich - nicht zuerst von Agenten bestimmt. Viel hilfreicher wäre es da schon, sich etwas mehr Gedanken zu machen über jene West-Linken, die einstmals die SED-Herrschaft offen bejubelten und heute in hohen Ämtern sitzen. Aber da erweist sich der Westen äußerst immun gegen jede Kritik. Die Dummheiten der DKP-Genossen sind vergessen, verdrängt und schon fast ein Geheimnis. Das erspart West wie Ost die schwierige Debatte um den ideologischen Kern der tragischen Geschichte.
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