Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Geldpolitik/Bundesregierung
Stuttgart (ots)
Für Regierungsmitglieder gilt eine goldene Regel. Zur Geldpolitik äußern sich weder die Kanzlerin noch einzelne Minister. Die Politik hält sich in Angelegenheiten der Notenbank zurück, weil die Europäische Zentralbank (EZB) unabhängig ist. Wenn sich die Kanzlerin über dieses Gebot hinwegsetzt, lässt dies aufhorchen. Ihre Äußerungen lassen den Schluss zu, dass die geldpolitischen Pläne der EZB der Bundesregierung Unbehagen bereiten. Tatsächlich hat es in den vergangenen Tagen Hinweise gegeben, dass die EZB in der kommenden Woche die Leitzinsen senken könnte. Nicht nur in Berlin wird die Frage aufgeworfen, ob dies sinnvoll ist. Diese Zweifel sind berechtigt.
Schon seit einiger Zeit verfolgt die EZB wie die übrigen Notenbanken der Industrieländer eine extreme Niedrigzinspolitik. Zu ihrem Dilemma gehört, dass die lockere Geldpolitik bei den Unternehmen in Südeuropa nicht ankommt. Obwohl sich die Leitzinsen auf einem Tiefstand bewegen, erhalten Betriebe in Italien, Spanien oder Portugal kaum neue Kredite. Der Grund dafür liegt in der Zurückhaltung der Banken. Viele Geldhäuser nehmen zwar gern das billige Geld von der Zentralbank an, geben es aber nicht an die Kreditkunden weiter. Folge: das Wachstum bricht ein. Europa sollte darüber nachdenken, mit bestehenden Förderbanken Engpässe zu beseitigen.
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