Stuttgarter Zeitung: Leitartikel zu Türkei/Erdogan: Der türkische Autokrat
Stuttgart (ots)
Selbstherrlich, brutal und rücksichtslos verhält sich der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan gegenüber seinem Volk. Spätestens nach dem überlegenen Wahlsieg seiner islamistischen Partei AKP vor zwei Jahren scheint dem Regierungschef jegliches Gespür für die politische und gesellschaftliche Realität in seinem Land verloren gegangen zu sein. Mit einer Mischung aus religiösem Sendungsbewusstsein und Machttrunkenheit macht er sich seither ans Werk, die Türkei nach seinem Gutdünken umzubauen. Dabei nimmt er auch auf demokratische Regeln kaum Rücksicht.
Demokratie ist in seinen Augen weniger eine erstrebenswerte Regierungsform, um den Willen des gesamten Volkes umzusetzen, sondern eher ein Mittel, um die eigene Macht zu festigen. Ihn interessiert nicht, dass er der Premier aller Türken ist, dass ein Demokrat auch die Stimmen jener Menschen wahrnehmen muss, die ihn nicht gewählt haben.
Natürlich hat Erdogan die Macht und die Skrupellosigkeit, die Demonstranten mit Wasserwerfern vom Taksim-Platz zu vertreiben. Doch den aufkeimenden Widerstand im Land wird er auf diese Weise nicht beenden können. Mit seiner Entscheidung, unter die Autokraten zu gehen, zerstört der Premier den sozialen Frieden im Land, ein Frieden, der das Fundament für seinen Erfolg ist. Anders formuliert: Erdogan gräbt sich sein eigenes politisches Grab.
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