Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Chile/Präsidentenwahlen
Stuttgart (ots)
Seitdem sich Augusto Pinochet vor einem Vierteljahrhundert widerwillig zurückzog, stand nie so viel auf dem Spiel wie jetzt. Michelle Bachelet hat nicht weniger als eine neue Verfassung versprochen. Sie will das absurd teure, weil private und gewinnorientierte Bildungssystem nach den Kriterien der Sozialstaatlichkeit umbauen. Um dies zu finanzieren, muss ein neues Steuersystem her.
Dass die Chilenen ausgerechnet Bachelet zutrauen, dieses gewaltige Reformprogramm durchzudrücken, ist erstaunlich, zumal sie schon einmal an der Macht war und keinen überschäumenden Reformeifer an den Tag gelegt hat. Aber seitdem die Studenten 2011 auf die Straße gingen, ist die Gesellschaft anspruchsvoller und fordernder geworden. Dass soziale Ungleichheit der Preis für Wachstum ist, diesen Bären lässt sie sich nicht mehr aufbinden. Bachelet verspricht am überzeugendsten, Chile in einen Sozialstaat zu verwandeln. Versagt sie, ist ihr jedoch eines gewiss: eine neue Welle von Massenprotesten.
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