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Stuttgarter Zeitung: Cem Özdemir über Pamuk-Prozess: Türkei muss Recht ändern

Stuttgart (ots)

ISTANBUL/STUTTGART. Der Europaabgeordnete Cem
Özdemir ist dabei gewesen, als am Freitag in Istanbul das 
Gerichtsverfahren gegen den Autor Orhan Pamuk begann. In der 
Stuttgarter Zeitung (Montagsausabe) schildert er seine Eindrücke: 
"Vor dem Gerichtsgebäude ließ eine Gruppe von ultranationalistischen 
Anwälten und lautstarken Demonstranten nichts unversucht, um zu 
zeigen, dass sie für Liberale und Andersdenkende nichts als 
Verachtung übrig haben. Orhan Pamuk und seine Unterstützer sind für 
sie Verräter, die die offizielle Geschichtsschreibung hinterfragen 
und damit der türkischen Nation in den Rücken fallen. Besonders 
unerträglich ist für die hasserfüllten Nationalisten außerdem die 
Tatsache, dass Pamuk seine Kritik im Ausland geäußert und damit 
angeblich die türkische Ehre vor aller Welt beschmutzt hat. Die 
Tabuisierung der Armenier- und Kurdenfrage und die Verhinderung einer
historischen Neubewertung ist geradezu das konstitutive Element des 
türkischen Nationalismus.
Das neue Strafgesetzbuch stellt - dank der EU-Perspektive und der 
Reformregierung in Ankara - ohne Zweifel eine Verbesserung gegenüber 
dem alten, reaktionären Recht dar. Überlebt hat jedoch Paragraf 301, 
der zum Missbrauch durch reformfeindliche Kräfte im Justizapparat 
geradezu einlädt. Bei einer angeblichen "Beleidigung des Türkentums" 
drohen dem Angeklagten bis zu drei Jahre Haft. Die Regierung wird 
nicht umhinkommen, diesen Teil des neuen Strafgesetzbuches rasch 
nachzubessern, wenn sie sich vor den Augen der Welt nicht zum Gespött
machen und die EU-Perspektive aufs Spiel setzen will."

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