Stuttgarter Zeitung: Orientalist Steinbach fordert gegenüber Afghanistan zur Zurückhaltung auf
Stuttgart (ots)
Udo Steinbach fordert die deutschen Politiker im Konflikt um den zum Tode verurteilten Afghanen Abdul Rahman zu Zurückhaltung auf. Der Leiter des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg hält die Forderung an die Regierung in Kabul, die Verfassung zu ändern für unrealistisch und kontraproduktiv. Die Drohung des FDP-Generalsekretärs Guido Westerwelle, die deutschen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, ist in seinen Augen "völlig überzogen". "Afghanistan ist noch immer ein islamisch geprägtes, zutiefst traditionelles Land", erklärt Steinbach im Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Das sei bei den Verhandlungen über die Aufbauhilfen auch vom Westen anerkannt worden. Und: "Unser ganzes Engagement für Afghanistan ist ja nicht ein Einsatz, der die Modernisierung Afghanistans von heute auf morgen verlangt. Dahinter steht die Hoffnung, dass die Modernisierung des Landes in zehn bis fünfzehn Jahren gelingen könnte." Steinbach hofft, dass im Fall Rahman das Todesurteil nicht gefällt wird. Auch nach islamischem Recht müsse ein Religionswechsel nicht unbedingt mit dem Tode bestraft werden. Nun gelte es, "unaufgeregt und über geeignete Kontakte" Einfluss auf den Spruch der Richter zu nehmen. Unterdessen erinnerte Marianne Heuwagen, die Direktorin des Deutschlandsbüros von Human Rights Watch, daran, dass der Fall Rahman nur die berühmte Spitze des Eisberges sei. In Afghanistan würden die Rechte, vor allem von Frauen und Mädchen, massiv mit Füßen getreten. Sie kritisiert gegenüber der Stuttgarter Zeitung, dass die westlichen Geberländer bei der Ausarbeitung der afghanischen Verfassung zu wenig darauf geachtet hätten, dass die rechtsstaatlichen Prinzipien Eingang in das Gesetzeswerk gefunden hätten. Sie spricht sich dagegen aus, dem Land nun die Hilfen zu entziehen. "Im Gegenteil", erklärt Marianne Heuwagen, "wir müssen unsere Anstrengungen gezielt verstärken, um die Leute aufzuklären." Allerdings müsse genau darauf geachtet werden, wie das Geld in dem Land verwendet wird", sagte sie.
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