Kliniken: wenig Geld, wenige Ärzte
Hamburg (ots)
Kostendruck und Personalmangel gehören derzeit mit zu den drängendsten Problemen für deutsche Krankenhäuser. Nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass der Bereitschaftsdienst der Klinikärzte auf deren Arbeitszeit angerechnet werden muss, wollen die Krankenhäuser den Dienst nun umstrukturieren. Neun von zehn Kliniken planen dafür in den kommenden Jahren zusätzliche Investitionen, so ein Ergebnis des Branchenkompasses 2004 Gesundheitswesen von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut. Ob eine einfache Neuordnung ausreicht, ist fraglich: Als Folge des Gerichtsurteils müssen in den kommenden Jahren schätzungsweise 15.000 weitere Ärztestellen besetzt werden. Das führt neben Kosten- auch zu Personalproblemen: Schon jetzt sind fast 5.000 Arztstellen in Kliniken vakant obwohl die Zahl ausländischer Mediziner steigt.
Die Kosten, die durch die Abschaffung des Bereitschaftsdienstes entstehen, betragen nach Schätzung des Marburger Bundes in den kommenden drei Jahren rund eine Milliarde Euro. Durch die Abschaffung der Ausbildungszeit als Arzt im Praktikum (AiP) am 1. Oktober 2004 kommen noch einmal zirka 300 Millionen Euro pro Jahr hinzu. Berufsanfänger können nun sofort Assistenzarzt werden. Diese Maßnahme soll den Anreiz einer ärztlichen Berufslaufbahn erhöhen. Derzeit wollen immer weniger Absolventen eines Medizinstudiums noch als Arzt arbeiten; im vergangenen Jahr waren es nur 45 Prozent eines Studienjahrganges. Grund für die sinkende Beliebtheit des Arztberufes sind die unattraktiven Arbeitsbedingungen: Extrem lange Arbeitszeiten und leistungsunabhängige Bezahlung schrecken junge Mediziner ab. Auch der hohe Arbeitsaufwand zur Erfüllung bürokratischer Vorschriften sowie sich unablässig ändernde gesetzliche und kassenärztliche Bestimmungen erschweren die Entscheidung für den Arztberuf. Viele Absolventen eines Medizinstudiums suchen daher Beschäftigung in anderen Berufsfeldern wie der Unternehmensberatung, der Krankenversicherung oder der Pharmazie.
Wegen der unattraktiven Arbeitsbedingungen im ärztlichen Bereich wandern auch viele Mediziner ins Ausland ab. So arbeiten derzeit in Norwegen rund 650 deutsche Ärzte, in Großbritannien sogar 2.600. Wie viele Mediziner insgesamt Deutschland jedes Jahr den Rücken kehren, ist nicht bekannt. Die Ärztewanderung ist jedoch nicht eingleisig, es kommen auch ausländische Ärzte in die Bundesrepublik. Diese stammen häufig aus Osteuropa, wo das Lohnniveau deutlich unter dem deutschen liegt. Ende 2003 waren insgesamt 17.318 ausländische Ärzte in der Bundesrepublik tätig, 9.360 davon an Krankenhäusern das sind 12,3 Prozent mehr als im Vorjahr. In den Kliniken der neuen Bundesländer werden vakante ärztliche Stellen inzwischen fast nur noch mit Ärzten aus Polen, Russland, der Ukraine, Tschechien und der Slowakei besetzt.
Um das Personalproblem im ärztlichen Bereich längerfristig lösen zu können, müssen die Kliniken die Arbeitsbedingungen für Mediziner verbessern, was jedoch weitere Kosten verursacht. Um den steigenden Kostendruck zu bewältigen, rationalisieren die meisten Krankenhäuser. Dazu gehören verschiedene Maßnahmen: Über 70 Prozent der Kliniken wollen demnächst ihre interne Logistik optimieren; rund die Hälfte plant, durch den Bettenabbau im Rahmen der DRGs das erforderliche Pflegepersonal abzubauen, so Befragungsergebnisse des Branchenkompasses Gesundheitswesen. Von 2004 bis 2006 soll zirka ein Zehntel aller Investitionen in die Standardisierung von Geschäftsprozessen fließen.
Diese Presseinformation basiert auf der Studie Branchenkompass 2004 Gesundheitswesen von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut. Für die Studie wurden im Mai 2004 hundert Topmanager aus 35 deutschen und 15 österreichischen Krankenhäusern sowie 50 deutschen Krankenkassen und -versicherungen über ihre Investitionsziele und ihre Marktpolitik bis 2006 befragt.
ots-Originaltext: Mummert Consulting AG
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