Paradigmenwechsel im caritativen Ehrenamt: Hilfe zur Selbsthilfe statt Fürsorge
Der Vertretertag der Caritaskonferenzen in Freiburg dachte über die Qualität ehrenamtlicher Arbeit nach
Freiburg (ots)
Unter dem Motto "Haltung und Handwerk" machten sich beim Vertretertag der Caritaskonferenzen Deutschlands (CKD) vom 23. bis 25. April in Freiburg die 70 Delegierten aus allen Teilen der Republik Gedanken über "Qualitätsmerkmale ehrenamtlicher/freiwilliger Tätigkeit". Sie vertreten immerhin 80.000 Mitarbeiter/innen, die sich in örtlichen CKD-Gruppen gemeindenah um Menschen in Not kümmern: Sie besuchen Alte und Kranke in Krankenhäusern und Altenheimen oder zuhause, bieten Hausaufgabenhilfen, betreiben Suppenküchen oder Kleiderkammern - mit einer "Haltung der liebenden Aufmerksamkeit", wie ihnen der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch während eines Festgottesdienstes im Münster bescheinigte. Ihre Arbeit sei kein "seelen- und herzloses Abwickeln einer Dienstleistung, sondern liebendes Handeln".
Guter Wille und ein offenes Herz reichen aber heute offenbar nicht mehr aus im Ehrenamt. Selbstkritisch jedenfalls verabschiedeten sich die Tagungsteilnehmer/innen vom traditionellen Fürsorgedenken. Ein Paradigmenwechsel, der sich bei den Profis längst durchgesetzt hat, holt nun auch die freiwillig Engagierten ein: Sie wollen den Hilfeempfängern nicht mehr alles abnehmen und sie mit ihrer Fürsorge ersticken, sondern ihre Eigenkräfte stärken und sie zur Selbsthilfe befähigen. Ebenso wie es dem Ehrenamtlichen erlaubt sein muss, auch mal Nein zu sagen, soll dies für die Adressaten der Hilfe gelten. "Sie sollten nicht eingreifen, wo eine Person die Hilfe nicht wirklich braucht", riet Elisabeth Michel-Alder. Die Züricher Unternehmensberaterin war von der CKD-Spitze engagiert worden für die Moderation der Tagung. Damit entgingen die Delegierten der Gefahr, zu sehr im eigenen Saft zu schmoren. In Kleingruppen erarbeiteten sie, was für sie zu ihrer eigenen Rolle und zu einer qualitativ hochwertigen ehrenamtlichen Arbeit gehört. Statt für alles und jedes allzeit und selbstlos zur Verfügung zu stehen, wie es in vielen Pfarrgemeinden offenbar noch immer gerne gesehen wird, wollen sie über die Art und den Umfang der Hilfe selbst entscheiden. "Man muss wissen, auf was man sich einlässt", hieß es in einer Gruppe. Vor allem, wenn sie in Einrichtungen wie Kranken- oder Altenheimen arbeiten, erwarten die Freiwilligen eine klare Aufgabenbeschreibung und Ansprechpartner in den Häusern. Ein "klares Zeitmanagement" soll dafür sorgen, dass Haupt- und Ehrenamtliche nicht aneinander vorbei arbeiten, sondern sich als Ergänzung verstehen. Versicherungsschutz, Sachkostenerstattung, Fortbildung und Supervision sollten zu den selbstverständlichen Rahmenbedingungen gehören.
Wo allerdings die Träger von Einrichtungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben den Finanzgürtel immer enger schnallen müssen, ist die Gefahr groß, dass mehr und mehr Aufgaben klammheimlich an Ehrenamtliche delegiert werden. "Flexibilität" wünschen sich die Einrichtungen nach Einschätzung der Delegierten von den freiwillig Engagierten. Für CKD-Geschäftsführerin Margret Kulozik rangiert der Begriff "zu nah an Ausbeutung". Bundesvorsitzende Maria Loers stellt klar: "Wir werden deutlich sagen, was wir machen und uns nicht für alles einsetzen lassen." Sie verspricht, sehr sorgfältig zu prüfen, ob neue Ehrenamtlichendienste als Ersatz für Hauptamtliche dienen und damit eine "Entprofessionalisierung herbeiführen sollen: "Wir werden uns nicht instrumentalisieren lassen."
Die Folgen der Sozialreformen bekommen die CKD-Mitarbeiter/innen aber auch über die Menschen zu spüren, um die sie sich kümmern. In einer "Freiburger Erklärung" zur sozialpolitischen Situation in Deutschland weisen sie auf die "zum Teil fatalen Auswirkungen einiger Reformen" hin und mahnen die Politiker zu "einer gerechteren Verteilung der Lasten". Zur Qualität ihrer Arbeit zählt für die Ehrenamtlichen auch, dass sie die politischen Rahmenbedingungen reflektieren, denen sie unterliegen. Keinesfalls wollen sie zum "Trostpflaster" werden, mit denen soziale Schieflagen zugekleistert werden. Die Einladung von Professor Georg Cremer, Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, sich mit ihren Erfahrungen in die "verbandliche Politik gegenüber der Bundesregierung" einzubringen und "mit einer Stim-me" zu sprechen, nahm die CKD-Bundesvorsitzende im Namen der Delegierten an. Die CKD sind ein Fachverband des Deutschen Caritasverbandes.
"Elementar berührt" fühlen sich die CKD mit ihrer engen Bindung an die örtliche Pfarrgemeinde von der Bildung von Seelsorgeeinheiten in fast allen deutschen Diözesen. In einem Positionspapier bekräftigen sie, sich der Entwicklung nicht entgegenzustellen, sondern sie "als Chance" zu begreifen und positiv mit gestalten zu wollen.
Anita Rüffer
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