Pressemitteilung: Effekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes: Markus Ferber, MdEP, warnt vor "Kampf der Kulturen"
Resilient und nachhaltig
HSS-Vorsitzender Markus Ferber, MdEP, diskutiert mit vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt über Auswirkungen des Lieferkettensorgfaltsplichtengesetzes
München, 20. März 2023 – Im Rahmen der Kooperationsveranstaltung "Lieferketten: Resilient und nachhaltig" mit der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. – hat der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber, MdEP, vor einer Entkopplung der Märkte gewarnt, die im Ringen der beiden Großmächte USA und China um technologische Vorherrschaft bzw. Autonomie entstehen könnte. „Ist das Decoupling, welches die USA zur Abgrenzung von China vorschlägt, das was wir wollen? Es bedeutet in der Essenz eine Zweiteilung der Wertschöpfungsketten und damit auch eine Zweiteilung von Algorithmen in Ost und West. Dann werden wir ein weiteres Mal diskutieren, ob es einen 'Kampf der Kulturen' gibt", warnt Ferber. Um Lieferketten vor externen Störungen zu schützen, ist auch das sog. "friend-shoring", das die USA vorschlägt, also künftig nur noch mit "befreundeten" Staaten Liefernetzwerke aufzubauen, kritisch zu bewerten, denn es steht der notwendigen Diversifizierung entgegen.
Die Versuche, strategische Autonomie bei den Lieferketten aufzubauen, sind für sehr vulnerable Produkte ein Schritt zu Resilienz und Nachhaltigkeit. In der Essenz ist das eine Abkehr vom Prinzip des Freihandels und dem Wert, den dieser hat. Gleichzeitig sollten berechtigte Anforderungen an bestimmte Werte, wie etwa das Verbot von Kinderarbeit bzw. der Schutz der Menschenrechte und Umweltschutz, im internationalen Handel eingehalten werden, das unter anderem durch das Lieferkettensorgfaltsplichtengesetz, das am 1. Januar.2023 in Kraft trat, ein Stück weit gesichert werden soll. Auch diese Standards machen den Austausch nicht einfacher: Wir stehen vor Entscheidungen mit langfristigen Wirkungen.
Der vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt sieht „schon jetzt für viele Unternehmen die bürokratischen Vorgaben und hohen Kosten als eine schwer zu schulternde Aufgabe. Die beschlossene Ausweitung der bereits überbordenden Sorgfaltspflichten im nächsten Jahr hat negative Konsequenzen für unseren Wirtschaftsstandort und bringt Unternehmen dazu, die Zahl ihrer Zulieferer zu reduzieren. Wir brauchen künftig aber vielmehr stärker diversifizierte Lieferketten, um die Störanfälligkeit zu reduzieren und die Resilienz zu steigern.“
Kommt es zur Umsetzung der derzeit auf europäischer Ebene diskutierten Pläne für eine EU-Wertschöpfungskettenrichtline, droht laut vbw das Szenario, dass Unternehmen sich aus Kostengründen und mit Blick auf das Risikomanagement aus ganzen Staaten zurückziehen könnten. Brossardt kommentiert: „Zwölf Prozent der Unternehmen beabsichtigen, Länder mit schwachen Governance-Strukturen aufgrund der neuen Vorschriften zu verlassen. 18 Prozent planen, Vorprodukte nur noch aus Ländern zu beziehen, die hinreichend auf die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards achten. Jedes fünfte befragte Unternehmen beabsichtigt, die Preise der eigenen Produkte zu erhöhen, um die zusätzlichen Kosten für die Einhaltung der Gesetze zu finanzieren. Für 16 Prozent der Unternehmen wird es schwierig, Lieferanten aus Problemländern zu ersetzen. So helfen wir weder heimischen Unternehmen, noch leisten wir einen entwicklungspolitisch sinnvollen Beitrag. Als bayerische Wirtschaft fordern wir daher eine grundlegende Überarbeitung des vorgelegten Richtlinienentwurfs mit dem Ziel, eine praxisgerechtere Ausgestaltung zu erreichen.“
Eine ausführliche Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zu den Effekten der Lieferkettenregulierung finden Sie hier: https://www.iwkoeln.de/studien/galina-kolev-adriana-neligan-survey-based-results-on-the-expected-effects-of-the-german-supply-chains-act.html
Hubertus Klingsbögl Pressesprecher der Hanns-Seidel-Stiftung presse@hss.de