Atradius: Der Lebensmittelsektor profitiert nicht von den hohen Preisen, er steht unter Druck
Köln (ots)
- Der Krieg in der Ukraine hat weltweit Auswirkungen auf die Wirtschaft. Aus humanitärer Sicht besonders gravierend sind die Engpässe bei der weltweiten Nahrungsmittelversorgung und der Anstieg der Lebensmittelpreise.
- Das liegt an der Verteuerung von Energie und Rohstoffen, einige vermuten jedoch auch, dass die Branche selbst die Preise antreibe und sprechen von einer sogenannten "Gewinninflation".
- Frank Liebold, Country Director Deutschland von Atradius, hält dagegen: der Sektor stehe unter Druck. Das zeigen auch aktuelle Daten.
Im Folgenden das vollständige Statement von Frank Liebold:
"Im ersten Halbjahr 2022, also in den Monaten unmittelbar nach Russlands Angriff auf die Ukraine, sind die Lebensmittelpreise um 30 Prozent* angestiegen. Ein entscheidender Faktor waren zunächst die vorübergehenden Ausfuhrstopps von ukrainischem Getreide und die damit einhergehende Verknappung des Angebots. Trotzdem die Getreideausfuhren inzwischen wieder laufen, sind die Preise weiterhin 20 Prozent* höher als im Vorjahr.
Eine Gewinninflation sehen wir im Lebensmittelbereich jedoch nicht als Grund. Vielmehr sehen wir klare Hinweise, dass der Lebensmittelsektor wirtschaftlich unter Druck steht - und zwar nicht nur auf der Produktions-, sondern auch auf der Abnehmerseite.
Ein Indikator, der Auskunft darüber gibt, wie es der Lebensmittelbranche derzeit wirklich geht, sind die Daten zu Zahlungsausfällen in dem Sektor. Im Januar sind allein bei uns im Haus die Nichtzahlungsmeldungen bei Lieferungen an deutsche Firmen aus dem Lebensmittelbereich im Vergleich zum Vorjahresmonat um 20 Prozent angestiegen. Je mehr Unternehmen von ihren Abnehmern nicht oder verspätet bezahlt werden, desto mehr gefährdet das die Liquidität der Unternehmen selbst. Bleiben Rechnungen im größeren Umfang langfristig unbezahlt, kann das für eine Firma existenzbedrohend werden.
Auf der Produktionsseite stellen nach wie vor die extrem hohen Energiepreise einen wesentlichen Faktor dar. Um beim Beispiel Landwirtschaft zu bleiben: 13 Prozent* der globalen Düngemittelausfuhren kamen bis Kriegsausbruch aus Russland und der Ukraine, hier ist eine Versorgungslücke entstanden. Aufgrund der hohen Energiepreise ist zudem die europäische Produktion von Ammoniak, das für die Düngemittelherstellung verwendet wird, seit August um 70 Prozent* zurückgegangen. Beides führt zwangsläufig zu Preissteigerungen und wirkt sich auch auf die globale Nahrungsmittelversorgung aus. Ich rechne damit, dass die Knappheit an Düngemitteln, dieses Jahr spürbare Auswirkungen auf die Ernteerträge in Europa und Afrika haben wird."
*Quelle: Oxford Economics
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