Branchenfremde Anbieter sägen am Geschäft von deutschen Baumärkten
Köln (ots)
- Atradius: Kein reales Umsatzwachstum bei Baumärkten im Jahr 2024
- Wettbewerbsintensität nimmt durch branchenfremde Unternehmen zu
Die deutschen Baumärkte stehen unter Wandlungsdruck. "Die Corona-Pandemie hat die Menschen in die Baumärkte gebracht, in der jüngeren Vergangenheit aber hat die wirtschaftliche Unsicherheit auch auf die Heimwerkermärkte übergegriffen", sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Deutschland, Zentral- und Osteuropa beim internationalen Kreditversicherer Atradius. Im ersten Quartal 2024 verzeichneten die Baumärkte laut Handelsverband Heimwerken, Bau und Garten e. V. zwar einen Umsatzanstieg von 4,4 Prozent, für das gesamte Jahr wird jedoch seitens Atradius inflationsbereinigt ein Nullwachstum erwartet.
Während der Pandemie haben viele Unternehmen ihr Angebot um Heimwerkerartikel wie Werkzeuge und Farben oder Gartengeräte ergänzt. Nun erschweren sie den etablierten Anbietern zunehmend das Geschäft und erhöhen durch günstigere Produkte und Online-Handel die Wettbewerbsintensität. "Die neuen Konkurrenten dürften längerfristig im Markt bleiben. Für viele Baumärkte wäre es gut, wenn sie darauf reagieren und sich weiterentwickeln - von einem reinen Bereitsteller von Produkten hin zu einem Anbieter von Produkten und dazugehörigen Dienstleistungen", erklärt Michael Karrenberg. "Die Baumarktprodukte sind mittlerweile auf vielen Plattformen zu kaufen, Serviceleistungen könnten künftig den Unterschied machen."
Eine Maßnahme könnte die Ausweitung von Montage- und Installationsdienstleistungen sein. Vor allem vor dem Hintergrund der fortlaufenden Digitalisierung sind Kunden zunehmend auf Hilfestellungen angewiesen. Mehr praktische Anleitungen und Workshops, etwa zur Materialverarbeitung und Gerätenutzung, sowie die Vermittlung zwischen Kunden und Handwerkern dürften ebenfalls Potenzial bieten.
Branche insgesamt stabil - vereinzelt sind aber steigende Risiken spürbar
2020 war das Erfolgsjahr der Baumärkte. In der Vor-Corona-Zeit betrug das jährliche Umsatzwachstum zwei Prozent, 2020 stieg der Umsatz um 14 Prozent auf 22,1 Milliarden Euro. In den vergangenen Jahren schwankten die Umsätze jedoch sehr stark. Der Ukraine-Krieg, die anhaltende Inflation und auch das Gebäudeenergiegesetz sorgen für Zurückhaltung bei den Verbrauchern. Die gesetzlichen Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden wirken sich auch auf die Baumärkte aus. "Im Jahr 2023 konzentrierte sich die Nachfrage auf Themen rund um Heizung und Wärmedämmung", sagt Michael Karrenberg, "hierbei sind Baumärkte nicht unbedingt im Fokus". Im ersten Quartal dieses Jahres ist die Nachfrage nach baurelevanten Produktgruppen deutlich zurückgegangen und der Garten- und Pflanzenbereich stand im Fokus. Aufgrund der Inflation wird für 2024 zwar eine Umsatzsteigerung erwartet, inflationsbereinigt werde es allerdings kein reales Wachstum geben, schätzt der Atradius-Manager.
Der rückläufige Konsum in Deutschland und die Abwanderung zu branchenfremden Unternehmen betreffen alle Baumärkte. "Beim einen oder anderen Marktteilnehmer hat sich die Liquiditätslage in den letzten Monaten spürbar verschlechtert", sagt Michael Karrenberg. "Die Ausfallgefährdung insgesamt ist aber weiterhin moderat." Bei einem Gesamtumsatz von über 25 Milliarden Euro für alle Baumärkte fällt allein ein Drittel auf die beiden größten Anbieter zurück. "In Zukunft ist es gut möglich, dass sich kleinere Baumärkte zusammenschließen, um Kosten zu senken und Synergien zu heben", schätzt Michael Karrenberg. Auch ein Wandel in der Verfügbarkeit der Materialien ist denkbar, um die Kapitalbindungen zu reduzieren, zum Beispiel bei Produkten wie Gartenmöbel, Teiche oder Grills. Waren würden zentral gelagert und auf Bestellung ausgeliefert werden. Der Einstieg an ausländischen Wettbewerbern sei nicht zu erwarten. "Der Markt ist klar zwischen den heimischen Anbietern verteilt - internationale Wettbewerber könnten nur in den deutschen Markt einsteigen, indem sie einen der bestehenden Anbieter übernehmen würden", so der Atradius-Experte weiter.
Einen positiven Einfluss auf die Lage der Baumärkte könnte laut der Einschätzung von Atradius die Entscheidung um den EZB-Leitzins im Juni haben. Wird der Zinssatz gesenkt, kommt dies den Baumärkten zugute. Auch von der Lohnentwicklung könnte die Branche profitieren. "Kunden investieren ihr Geld dann eher wieder in ihr Zuhause", so Michael Karrenberg.
Über Atradius
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